Von Barbara Stäbler, Keystone-SDA

Die Grenzen in Europa sind wegen Covid-19 dicht. Darunter leidet der Tourismus stark. Unklar ist, wie lange das so bleiben wird. Klar ist hingegen, dass eine Lockerung der Massnahmen nur koordiniert möglich ist. Brüssel soll über regionale Grenzöffnungen nachdenken.

Wo wir bald unsere Sommerferien verbringen werden, ist im Moment noch völlig offen auf Balkonien, in der Schweiz oder doch am Mittelmeer?

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dämpfte jedenfalls Anfang April in der «Bild am Sonntag» die Erwartungen. Sie rate allen an, mit Plänen für die Sommerferien zu warten. «Für Juli und August kann derzeit niemand verlässliche Vorhersagen machen.»

Doch Tourismus ist kaum ohne Grenzöffnung möglich. Daher will die EU-Kommission nächstens dazu Leitlinien vorlegen. Bis zur Sommersaison solle es einen «europäischen Ansatz» geben, sagte ein EU-Kommissionssprecher kürzlich.

In ihrem Mitte April präsentierten Corona-Fahrplan hatte die Brüsseler Behörde bereits erste Kriterien genannt, die bei einer möglichen Grenzöffnung eine Rolle spielen könnten. Dazu zählen die allgemeine Gesundheitslage, die Möglichkeit eines Monitorings und die Kapazitäten des Gesundheitssystems eines Landes.

Regionale Grenzöffnung
Die Leitlinien dürften also in die Richtung gehen, dass Nachbarstaaten, die oben erwähnte Bedingungen erfüllen, langsam gegenseitig ihre Grenzen aufmachen können. Laut ihrem Sprecher braucht die Kommission für die Ausarbeitung der Leitlinien aber noch etwas Zeit. Doch viel Zeit bleibt ihr nicht.

Denn bereits sind einzelne EU-Staaten mit eigenen Ideen vorgeprescht – so beispielsweise Österreich. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger schlug vor, bilaterale Tourismus-Vereinbarungen mit anderen Staaten zu schliessen, die wie Österreich eine tiefe Coronafallzahl vorweisen.

Konkret sagte sie in der «Presse am Sonntag», dass wenn Länder «auf einem sehr guten und positiven Weg sind, wie beispielsweise Deutschland, dann gibt es durchaus auch die Möglichkeit, dass man sich bilateral einigt».

Rückgang im Tourismussektor
Zurzeit erleidet der Tourismus wegen der Corona-Pandemie weltweit einen massiven Einbruch. Der Bund geht davon aus, dass in der Schweiz die Umsätze im Vergleich zum Vorjahr aktuell um bis zu 95 Prozent tiefer liegen. Auf das ganze Jahr gerechnet, rechnet er mit einem Umsatzrückgang von bis zu 35 Prozent.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schätzt ihrerseits für die westliche Welt einen Rückgang im Tourismussektor wegen Corona von 45 bis 70 Prozent.
EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton geht ebenfalls von bis zu 70 Prozent für die EU aus.

Denn im Zuge der Coronakrise machte ein EU-Staat nach dem anderen seine Grenzen dicht – auch die Schweiz. Was zum Schutz der eigenen Bevölkerung gedacht war, hatte jedoch katastrophale Folgen für den
Tourismussektor: Fluggesellschaften, Reisebüros, Hotels, Penisionen und Touristenführer verloren quasi über Nacht ihre wirtschaftliche Basis.

Tourismus-Gipfel
Mit Blick auf die leidende Tourismusbranche, die vielen Arbeitslosen und die bevorstehende Sommersaison gibt es also dringender Handlungsbedarf. Am Montag werden deshalb die EU-Tourismusminister per Videokonferenz über die Situation der Tourismusindustrie diskutieren. Die EU-Innenminister werden am Dienstag «die Lage an den Binnen- und Aussengrenzen erörtern», wie es auf der Webseite des EU-Rates heisst.

Ausserdem werden die Minister «Gedanken darüber austauschen, wie in Zukunft die Kontrollen an den Binnengrenzen auf koordinierte Weise gelockert oder aufgehoben werden können». Die Schweiz als Schengen-Staat ist ebenfalls zur Videokonferenz eingeladen.

Bundesrat Ignazio Cassis hatte sich zu Grenzöffnungen bereits vergangenen Dienstag an einer Videokonferenz der deutschsprachigen Aussenminister geäussert. Die Schweiz spricht sich für ein koordiniertes Vorgehen aus.

Und EU-Binnenmarktkommissar Breton hatte im EU-Parlament letzten Dienstag für September oder Oktober einen grossen Tourismus-Gipfel angekündigt. (sda)