«Bahn-, Bus- oder Schifffahren in der Schweiz ist teuer.» Dieser Satz ist sowohl von Schweizerinnen und Schweizern, insbesondere aber von ausländischen Touristen, oft zu hören. Die dritte Preisvergleichsstudie, die am Dienstag vom Informationsdienst für den öffentlichen Verkehr Litra und vom Verein Direkter Verkehr Schweiz ch-direct, vorgestellt wurde, widerlegt dieses Vorurteil zumindest teilweise.

Das Fazit der Untersuchung lautet: «Der öffentliche Verkehr der Schweiz hat ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis.» Im europäischen Vergleich punkte die Schweiz vor allem mit einer «hohen Netz- und Angebotsdichte» und einer «herausragenden Pünktlichkeit». Die Preise lägen gleichzeitig im Mittelfeld. Für die Studie verglich das Forschungsinstitut Infras die Tarife in Italien, Deutschland, Frankreich, Österreich, den Niederlanden, Grossbritannien und der Schweiz. Generell lässt sich demnach festhalten, dass die Preise im Zeitraum zwischen 2016 und 2018 fast überall leicht gestiegen sind.

Teure Einzelbillette
Das bedeutet jedoch nicht für alle Kundengruppen dasselbe. So seien die Preise für Abonnemente für Vielfahrer in der Schweiz beispielsweise sehr vorteilhaft, wie Remo Zandonella von Infras vor den Medien sagte. Auch das Fahren im innerstädtischen Verkehr und von der Stadt aufs Land sei günstig. Demnach belegt die Schweiz im innerstädtischen Verkehr mit einem Ticketpreis von zwei Franken Platz Drei. Am günstigsten fahren ÖV-Reisende in italienischen Städten (1.40 Franken), während ÖV-Gäste im britischen Stadtverkehr mit 5,60 Franken am meisten bezahlen müssen.

Vergleichsweise teuer sind hingegen Einzelfahrten in der Schweiz – insbesondere bei Reisen im Metropolitanraum und zwischen zwei Städten. Dabei müssen Gelegenheitsfahrer ohne Verbund- oder Zonenabo bei den Verbindungen zwischen Stadt und Agglomeration etwa doppelt so viel bezahlen wie Vielfahrer. Auch für Senioren sind die Tarife für den öffentlichen Verkehr im Vergleich zu den anderen Ländern teurer.

Hürden für Neueinsteiger senken
Ein weiteres Fazit aus der Studie ist die Entwicklung hin zu einer flexibleren Preisgestaltung. Dies gelte vor allem für Gelegenheitsfahrer, führten die Autoren aus. So böten Anbieter des öffentlichen Verkehrs zunehmend vergünstigte Tickets an, etwa bei frühzeitiger Buchung oder bei Fahrten ausserhalb der Stosszeiten. Diese vergünstigten Angebote stossen hierzulande auf reges Interesse: Die in den vergangenen Jahren eingeführten Sparbillette und Frühbucherrabatte hätten sich auffällig schnell entwickelt und auch die Preiswahrnehmungen positiv beeinflusst, sagte ch-direct-Präsidentin Jeannine Pilloud an der Medienkonferenz.
Gerade am gestrigen Montag sei mit dem Verkauf von rund 18'000 Sparbilleten ein neuer Rekord gebrochen worden.

Das Potenzial sei jedoch noch nicht ausgeschöpft, so Pilloud. Insbesondere die Tarife für Gelegenheitsfahrer und bestimmte Kundengruppen müssten runter und die Eintrittshürden für Neukunden gesenkt werden, wie die Studie zeige. Gerade bei den Gelegenheitsfahrern könnte das seit Juni betriebene Inlandnetz der privat geführten Fernbusse den öffentlichen Verkehr konkurrieren. Man habe Respekt vor dem neuen Angebot, sagte Pilloud. Es dürfte sich allerdings erst in 12 bis 18 Monaten zeigen, inwiefern diese Strecken für die Anbieter rentieren und wie sich das Angebot auf den öffentlichen Verkehr auswirkt, so Pilloud.

Neue Angebote und Sparpotenzial
Die Branche arbeite daran, das Preisleistungsverhältnis im öffentlichen Verkehr weiter zu verbessern. Ansetzen will das ehemalige SBB-Kadermitglied vor allem bei der Preisdifferenzierung. Mit neuen Angeboten und Treuerabatten soll der ÖV-Anteil im Freizeitverkehr gesteigert werden.

Zu den neuen Angeboten gehöre etwa das Modul-Abo für Pendler, die zwischen zwei Verbünden reisen – beispielsweise vom Grossraum Zürich nach Freiburg – oder ausserhalb eines Verbundes reisen und dabei auch den Ortsverkehr (Tram, Bus) nutzen möchten. Dieses soll dann auch als Einzelticket für Gelegenheitsfahrer erhältlich sein. Sparpotenzial sieht Pilloud in der Vereinfachung von Prozessen und Systemen sowie in der Digitalisierung – zum Beispiel mit der Einführung von Tablet-Automaten.

Pro Bahn: Kunden ohne Apps im Nachteil
Dass die Schweiz bei der Pünktlichkeit und Netzauslastung gute Note erhält, erstaunt Karin Blättler, Präsidentin des Fahrgastverbands Pro Bahn Schweiz nicht. Bezüglich der «ausgezeichneten» Benotung für das Preis-Leistungs-Verhältnis sei sie aber nicht ganz gleicher Meinung, wie sie auf Anfrage der Agentur Keystone-SDA sagte.

Die Preise für Einzelfahrten seien in der Schweiz massiv zu teuer und Tageskarten könnten die Kunden gar nicht herausfahren, kritisierte Blättler. Zum Beispiel koste eine Tageskarte 75 Franken und setze ein Halbtax voraus. Dafür müsste man weiter als die Strecke Lugano-St.Gallen fahren, damit es rentiere. Zudem würden vergünstigte Billete nur auf dem digitalen Weg angeboten, so Blättler. Man versuche so, die Fahrgäste auf die Apps zu drängen. Das sei nicht akzeptabel. Vergünstigungen müssten auf allen Vertriebskanälen für jedermann zugänglich sein. Es dürften nicht Kunden ausgeschlossen werden. (sda/og)