Opuwo ist kein Ort, den man zufällig kreuzt. Unser Weg in die kleine Stadt an der namibisch-angolanischen Grenze führt durch 500 staubige, unwegsame Kilometer trockenen Buschlands. Der platte Reifen bei Kilometer 200 ist denn auch dem steinigen Untergrund geschuldet. Von verschwörerischen Kräften haben wir zu diesem Zeitpunkt noch zu wenig Kenntnis, als dass wir diese als Ursache ins Feld führen könnten.

Das Zentrum Opuwos gleicht einem ethnischen Schmelztiegel. In einfachster Umgebung treffen Herero-Frauen mit farbigen, quadratischen Hüten auf westlich gekleidete Vertreter des Ovambo-Volkes. Dazwischen wuseln Hirten vom Stamme der Damara, und die traditionell barbusigen Frauen der Himba gehen barfuss ihres Weges. Die Himba sind der Hauptgrund unseres Besuchs. Tief im Buschland, nördlich der Stadt, leben diese Stämme noch heute fernab westlicher Zivilisation, getreu ihren ursprünglichen Bräuchen und Ritualen.

Für den Besuch im Busch sind wir auf Hilfe angewiesen. Nicht nur aufgrund der sprachlichen oder kulturellen Barrieren, sondern schon allein wegen fehlenden Kartenmaterials. Hier tritt Joe auf den Plan. Der aufgeweckte Mittvierziger mit dichtem grauem Bart und spiegelglatter Glatze führt bereits in zweiter Generation ein westliches Leben. Seine Vorfahren sind jedoch angolanische Himba. Joes Markenzeichen ist ein leuchtend rotes Fussballtrikot der tschechischen Nationalmannschaft. Seit einigen Jahren versucht er sich als Tourguide und vermittelt authentischen Zugang zur traditionellen Lebensweise des Volkes.

Mit 60 Kilo Maismehl als Gastgeschenk im Kofferraum und Joe auf der Rückbank fahren wir los. Mich interessiert, wie er als Tourismus-Entrepreneur abseits ausgetretener Pfade die Corona-Krise erlebt hat. Die letzten zwei Jahre seien sehr schwierig gewesen, betont er. 2019 habe sein Geschäft eine Blütezeit erlebt. Er sei drauf und dran gewesen, gar eine Website zu erstellen. Dann habe sie zugeschlagen: die Ex-Schwiegermutter. Mit einem dunklen, schweren Fluch habe sie ihn belegt. Die Folge war eine gravierende Kaskade aus Lustlosigkeit, Lethargie, Sinnkrise sowie lang anhaltendem Misserfolg im Geschäft. Der Fluch habe ihn zwei Jahre lang komplett gelähmt. Eine zufällige Begegnung mit einer Schamanin schaffte schliesslich Abhilfe. Die Seelenheilerin nahm Joe kurzerhand Huckepack und schüttelte die bösen Geister ab, wie er mit leuchtenden Augen erzählt. Als Folge davon sei sein Leistungsvermögen, beruflich wie privat, zu 80 Prozent zurück. Corona erwähnt Joe mit keiner Silbe.
 

Corona erwähnt Joe mit keiner Silbe.

 

Highlight
Die Himba werden kaum vermarktet. So bleibt nachhaltiger Tourismus möglich.
Missing
Die traditionellen Lebensweisen der meisten Völker Namibias gelten als ausgestorben. Die Himba bilden eine Ausnahme.
Aufgefallen
In Namibia leben elf ethnische Gruppen, zehn davon bilden Minderheiten.

Ganz im Sinne von «der Weg ist das Ziel» sind wir also bereits weit vor dem Busch tief in die Bräuche der Himba eingetaucht. So lernen wir, dass Realität immer eine Frage der Perspektive ist und dass Misserfolg, Krisen und Lösungswege in gewissen Kulturen meist einen übernatürlichen Hintergrund haben. Es bleibt der Wunsch zurück, dass die schwarze Magie der Schwiegermütter auch in Zukunft einen grossen Bogen um uns alle macht.

Gemeinsam mit seiner Partnerin Lena-Maria Weber reist Patric Schönberg mit dem Rucksack ein Jahr um die Welt. Der ehemalige Leiter Kommunikation von HotellerieSuisse berichtet aus seiner persönlichen Perspektive über Dinge, die auffallend anders sind als bei uns. Die gesamte Reise auf Instagram: @losnescos