Die EHL Passugg ist seit Frühling 2024 Bio Cuisine zertifiziert. Was war damals der Auslöser, in Küche und Keller vermehrt auf Bio zu setzen?
Alfred Zuberbühler: Es ist für uns wichtig, den Aspekt der Nachhaltigkeit zu lehren. Darum sind wir mit Interesse bei Bio Cuisine dazu gestossen. Es geht uns darum, dass die Studierenden und Auszubildenden auch lernen, was Nachhaltigkeit in einem Restaurant bedeutet – und wie das praxisnah umgesetzt werden kann. Nachhaltigkeit ist in der Theorie fächerübergreifend ein Schwerpunkt – nicht nur auf den Teller beschränkt. Auch betriebswirtschaftliche Aspekte und der Umgang mit den Mitarbeitenden gehören dazu. Diese Punkte gilt es stets zu beachten.

Sie sind diesen Schritt konsequent weitergegangen und haben nun den zweiten Bio Cuisine Stern erhalten. Was hat sich auf dem Weg dahin geändert?
Alfred Zuberbühler: Es war ein Prozess. Unser Gedanke war nie, von Anfang an möglichst viel Bio zu haben. Es geht uns um ein gesundes Hineinwachsen, ums Experimentieren, darum, zu schauen, wie wir mehr biologische Produkte verwenden können. Und wichtig: Ob das für uns auch finanziell aufgeht. Wir haben vertieft darauf geschaut, woher wir was einkaufen. Und dann war die logische Folge der zweite Stern. So ist alles gewachsen, was auch unser Ziel war.

Dennis Thiem: Am Anfang muss man auch die Verfügbarkeit checken. Wo kriege ich welche Produkte her? Beim Grosshändler gibt es diverse Sachen, aber bis man die kleinen, lokalen Anbieter findet, da wächst man eher nach und nach hinein. 

Welche Herausforderungen, neben der Logistik und der Lieferkette, sind Ihnen auf Ihrem «Bio-Weg» begegnet?
Alfred Zuberbühler: Wenn ich zum Beispiel ein Bankett mit 50 Personen habe und alle möchten Kalbsbäggli, dann ist das schwierig. Ein Kalb hat ja nur zwei Bäggli. Da hiesse, 25 Bio-Kälber zu schlachten – das ist schon eine Herausforderung. Ein Ansatz kann sein, etwas zu umschreiben. Also nicht spezifisch das Edelstück zu deklarieren, sondern beispielsweise «Kurzgebratenes vom Bündner Bio-Rind» zu sagen. Dann kann es sich um eine Huft oder ein Stück Entrecote handeln und wer Glück hat, kriegt dann vielleicht das Filet. So sind wir flexibler und können das ganze Tier verkaufen.

Das «Da Fortunat» ist ein Schulrestaurant. Wie stark ist der Einfluss auf die Studierenden, dass diese den Bio-Gedanken in die Schweizer Gastronomie hinaustragen?
Dennis Thiem: Wenn am Ende nur eine Person über mehr Bio-Wissen verfügt, haben wir schon etwas erreicht.

Alfred Zuberbühler: Wir sehen das bei den Abgängerinnen und Abgängern. Der neuen Generation im Alter von 25 Jahren müssen wir Nachhaltigkeit kaum mehr erklären. Die meisten haben ein klares Verständnis davon. Für die ist Bio selbstverständlich. Und das nehmen sie auf ihren weiteren Berufsweg mit.

Das Potenzial für Bio ist in der Gastronomie noch gross. Woran könnte das Ihrer Meinung nach liegen und wie liesse sich dies ändern?
Dennis Thiem: Für jeden Koch ist es wohl ein Traum, morgens über den Wochenmarkt zu laufen und seine Produkte direkt dort zu besorgen. Im Optimalfall sind diese bio und regional. Das ist aber leider aus wirtschaftlicher Sicht nicht immer möglich. Mein Eindruck ist, dass ein Restaurant entweder auf Nachhaltigkeit setzt oder nicht. Es gibt kein Dazwischen.

Alfred Zuberbühler: Es gibt aber durchaus Möglichkeiten, bio und regional verstärkt zu integrieren. In der Bündner Herrschaft beispielsweise arbeiten Winzer und Winzerinnen sowie Restaurateure eng zusammen. Es werden auch Events veranstaltet, bei denen degustiert und über die Produkte diskutiert wird. So wird ein gemeinsames Erlebnis geschaffen und das Verständnis der Kunden für die Herkunft der Produkte gefördert. Und ganz wichtig: Man erfährt, was ein gutes Produkt ausmacht.

Wo kann in Ihren Augen Bio Cuisine einen Mehrwert schaffen?
Alfred Zuberbühler: Labels sind auf jeden Fall hilfreich. Es geht um Wissensvermittlung und Aufklärung. Da spielt es eine grosse Rolle, dass es Labels wie Bio Cuisine gibt. Es hilft, seine Bemühungen im Bereich Nachhaltigkeit besser zu kommunizieren. Mit den prozentualen Abstufungen von 1, 2 oder 3 Sternen ist für den Gast auf einen Blick ersichtlich, wie viel Bio in der Küche und im Keller steckt. Wichtig finde ich, dass der Gast das Label noch besser kennenlernt. Da hat es sicher noch Potenzial. Es geht auch darum, das Vertrauen beim Kunden zu stärken.

Was würden Sie Gastronomen, die an der Bio Cuisine Knospe interessiert sind, empfehlen?
Dennis Thiem: Sich nicht abschrecken lassen von den vermeintlich hohen Kosten der Bio-Produkte. «Nose to Tail», ein überarbeitetes Menü sowie der vermehrte Gebrauch von saisonalen Produkten können helfen, diese Kosten abzufedern.

Dieser Fachartikel ist in Zusammenarbeit mit Bio Suisse entstanden.

Die Vorteile von Bio Cuisine
Das Label von Bio Suisse schafft einen neuen Standard für nachhaltige Gastronomie und hilft den ausgezeichneten Betrieben dabei, ihr Engagement für Nachhaltigkeit vom Feld bis auf den Teller sichtbar zu machen. Dabei können die Gastronomiebetriebe von der hohen Bekanntheit der Bio-Knospe profitieren. Das «Da Fortunat» ist Bio Cuisine zertifiziert und serviert Mittagessen für 20 bis 40 Gäste von Montag bis Donnerstag.

Monika Weiss, Projektleiterin Gastronomie und Nachhaltigkeit Bio Suisse