Auf den ersten Blick präsentiert sich die Branche in Bestform: Zum zweiten Mal in Folge erreichte die Schweizer Hotellerie 2024 einen Rekordwert. 42,8 Millionen Logiernächte. Das ist ein Plus von 2,6 Prozent. Besonders die Fernmärkte legten zu: Gäste aus den USA generierten 3,5 Millionen Übernachtungen, fast 14 Prozent mehr als im Vorjahr. [RELATED]
Sie liegen nur noch knapp hinter Deutschland als wichtigstem Herkunftsmarkt. Die Zahlen vermitteln den Eindruck einer robusten Branche. Doch die Bilanz verdeckt tiefgreifende Herausforderungen.
Mehr Gäste, aber nicht zwingend mehr Ertrag
2024 stieg die Auslastung nur leicht: In den Städten betrug sie 61 Prozent, in den Bergregionen 42 Prozent. Auch bei den Einnahmen pro Zimmer zeigt sich ein gemischtes Bild: Während sie schweizweit um 3 Prozent gestiegen sind, mussten die Städte einen Rückgang hinnehmen. Gleichzeitig belasten steigende Energie- und Warenkosten die Margen.
Auch das Gästeverhalten ändert sich: Aufenthalte werden kürzer, der Personalaufwand bleibt hoch. Dazu kommen steigende Erwartungen an Flexibilität, digitale Services und individuelle Angebote. Investitionen wären nötig – in einem angespannten Kostenumfeld jedoch schwer zu finanzieren. Der Kostendruck steigt, während die Erträge stagnieren.
Damit rückt auch die Steuerpolitik ins Zentrum, denn sie entscheidet mit über die Wettbewerbsfähigkeit der Branche. Der Bundesrat will den reduzierten Mehrwertsteuersatz von 3,8 Prozent bis 2035 verlängern. Der Verband würde eine dauerhafte Lösung bevorzugen, denn Ferien in der Schweiz sind bereits heute deutlich teurer als in umliegenden Ländern, die ebenfalls über einen reduzierten Mehrwertsteuersatz verfügen – wie fast alle Staaten in Europa.
Ohne den reduzierten Satz bestehe die Gefahr, dass die Schweiz als Tourismusdestination abgehängt werde. Präsident Martin von Moos: «Dennoch ist die Verlängerung bis 2035 ein wichtiger Schritt: Sie zeigt, dass das Parlament die Herausforderungen der Branche trotz angespannter Finanzlage anerkennt.»
Wir arbeiten in einem Kostenumfeld, das die Erträge massiv unter Druck setzt.
Martin von Moos, Präsident HotellerieSuisse
Struktureller Wandel und Arbeitskräftemangel
Die Herausforderungen beschränken sich nicht nur auf Kosten und Steuern. Die Branche befindet sich in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Seit 2010 ist die Zahl der Betriebe um fast 20 Prozent gesunken. Gleichzeitig ist die durchschnittliche Betriebsgrösse auf 33 Zimmer angestiegen. Während in den Städten grössere Häuser entstehen, ist in den Bergregionen die Zahl der Betriebe rückläufig.
Ebenso drängend ist der Arbeitskräftemangel: Obwohl die Logiernächtezahlen seit 2010 um 18 Prozent gestiegen sind, arbeiten heute weniger Menschen in der Beherbergung. Viele Betriebe müssen mit knapper Personaldecke operieren. Seit 2010 ist die Zahl der Lehrverträge im Gastgewerbe um ein Viertel zurückgegangen – ein langfristiges Risiko für die Nachwuchssicherung.
Zwischen Boom und Balanceakt
Die Schweizer Hotellerie kann stolz auf ihre Resilienz sein: Wirtschaftskrisen, Frankenschock und Pandemie hat sie überstanden. Heute erreicht sie Rekordwerte. Doch Kostensteigerungen, Fachkräftemangel und steigende Erwartungen der Gäste lassen die Erträge schrumpfen.
Der Balanceakt zwischen Wachstum und Wirtschaftlichkeit wird damit zur zentralen Zukunftsfrage. Martin von Moos: «Rekorde bei den Logiernächten sind erfreulich. Aber sie dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir in einem Kostenumfeld arbeiten, das die Erträge massiv unter Druck setzt.»
