Für touristisches Verhalten ist es notwendig, einen Ortswechsel zu tätigen, wofür Mobilität eine Grundvoraussetzung ist. Damit gehen zwischen 8 und 11 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen zulasten des Tourismus. Der Schweizer Tourismus ist somit einerseits Mitverursacher der Klimakrise, andererseits aber auch betroffen von deren Folgen. Veränderungsdruck entsteht einerseits durch die sicht- und spürbaren Konsequenzen der Klimaveränderung, durch sensibilisierte Gästegruppen wie die Klimajugend und andererseits durch Massnahmen aus der Politik und von Finanzinstituten.

Die Klimaszenarien CH2018 des National Centre for Climate Services (NCCS) verdeutlichen die absehbaren Folgen wie trockenere Sommer, intensivere und häufigere Starkniederschläge, mehr und extremere Hitzetage und zunehmend schneearme Winter. Der Wintertourismus gerät durch die wärmeren Temperaturen, den vermehrten Niederschlag in Form von Regen sowie die resultierende schwache Schneesicherheit unter Druck.

Besonders Wintersportgebiete in tieferen Lagen sind in ihrem Geschäftsmodell gefährdet, aber auch Gebiete in höheren Lagen müssen mit verminderten Schneefällen auskommen. Das NCCS rechnet mit einer Verschiebung der Nullgradgrenze von heute 850 Metern auf 1500 m ü. M. bis ins Jahr 2060. Die Anzahl der Schneetage in Gebieten, welche tiefer als 800 m ü. M. liegen, hat sich bereits über die letzten 50 Jahre hinweg halbiert. Die touristischen Akteure sind demnach stark gefordert, um mit der Anpassung Schritt halten zu können.

Massnahmen des Tourismus
Bis anhin hat sich der Tourismus primär auf die Anpassung an den Klimawandel fokussiert und Strategien wie die Weiterentwicklung des Schneesports oder verstärkte Gefahrenabwehr durch technische Massnahmen auf nationaler und regionaler Ebene verfolgt. Die Umsetzung der entwickelten Strategien ist durchaus sichtbar.

Anders sieht dies im Bereich der Verminderungsstrategie aus. Auch diese sind seit 2008 beispielsweise mit Reduktion des Energieverbrauchs oder der Kompensation von Emissionen bekannt. Ihre Umsetzung harzt aber sehr. Die Hürde, sich dem Thema der Suffizienz anzunehmen, erscheint für den Tourismus gross zu sein. Um die Folgen des Klimawandels abzuschwächen, wird unter anderem vom NCCS eine strikte Senkung der Emissionen gefordert. Dadurch könnte bis 2060 schätzungsweise die halbe Temperaturerhöhung abgewendet werden.

Politische Weichenstellungen
Auf nationaler Ebene hat der Bundesrat im August 2019 das Nettonull-Ziel bis 2050 beschlossen. Dies bedeutet, dass die Schweiz ab 2050 nicht mehr Treibhausgase in die Atmosphäre ausstossen will, als durch natürliche und technische Speicher aufgenommen werden können. Dies soll der Schweizer Bevölkerung Planungs- und Investitionssicherheit bieten. Das Parlament einigte sich zudem auf einen indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative.

Das Verbot für fossile Brenn- und Treibstoffe wurde dabei fallen gelassen, Ausnahmen für Berg- und Randregionen erwogen und das Netto-negativ-Ziel nach 2050 formuliert. Daraufhin wurde die Gletscherinitiative bedingt zurückgezogen, um einen schnellen Weg für die Umsetzung des Klimaschutzes zu realisieren. Dies ist gemäss Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC) dringend notwendig, um die globale Erwärmung mit netto null im Jahr 2050 auf 1,5 °C zu beschränken. Das Netto-null-Ziel gilt für sämtliche Wirtschaftszweige und somit auch für den Tourismus.

Auch in touristischen Kreisen wird zunehmend der Begriff Klimaneutralität verwendet, beispielsweise klimaneutrale Destination. Grundsätzlich geht das Verständnis der Klimaneutralität mit der Berücksichtigung weiterer Effekte der menschlichen Aktivität weiter als netto null und sollte im Tourismus verantwortungsbewusst eingesetzt werden.

Künftige Stossrichtungen in der Klimakrise
Gewisse touristische Zukunftsvisionen schweben mit der Netto-null-Zielsetzung mit. Allerdings scheint der Weg dorthin unklar und steil. Zum einen fehlt es Schweizer Tourismusdestinationen an definierten Absenkpfaden. Um solche ausarbeiten zu können, braucht es allerdings erst geeignete Bilanzierungsansätze für den Querschnittsektor Tourismus. Die Bemessung des zur Bilanzierung grundlegenden touristischen Emissionsausstosses auf Leistungsträger und Destinationen ist massiv erschwert. Der notwendige Ortswechsel der Gäste, das Reiseverhalten zwischen Destinationen oder die Zuordnung auf Raum und Leistungsträger erschweren nur schon die Bestimmung der touristischen Emissionen.

Um diese Herausforderungen zu lösen, laufen aktuell mehrere Projekte in Zusammenarbeit mit dem Seco. Beispielsweise arbeitet die Forschungsstelle Tourismus der Universität Bern (CRED-T) zusammen mit der Wyss Academy im Rahmen des vom Seco organisierten Tourismus Forum Schweiz an einem Bericht zu aktuellen Bilanzierungsansätzen und Absenkpfaden auf Destinationsebene. Zudem arbeitet die Fachhochschule Graubünden zusammen mit Myclimate und den Destinationen Arosa, Val Poschiavo und Davos an einem Innotourprojekt zur umfassenden Berechnung des Klimafussabdrucks auf Destinationsebene.

Drastische Emissionsverminderungen in Form von Absenkpfaden sind zukünftig notwendig, denn Kompensation allein stellt keine langfristige Lösung dar. Zur Erreichung dieser Absenkpfade sind Massnahmen mit Hebelwirkung und quantifizierbare Leistungen zur Reduktion von Emissionen gefordert. Klimaschutzmassnahmen, welche auch Bestrebungen miteinbeziehen, die nicht massgeblich zur Erreichung bestimmter Klimaziele beitragen, sind im Kontext von Greenwashing vorsichtig zu verwenden. Eine glaubwürdige Massnahme sollte als Absenkpfad formuliert sein.

Wo sind also die Hebel, um im Tourismus anzusetzen? Zuallererst erfordert ein Entgegenwirken das Bewusstsein für Vermeidung im touristischen Bereich und somit eine offene Diskussion. Zweitens soll es künftig möglich sein, den aktuellen Stand mittels Bilanzierung auf Betriebs- wie Destinationsebene aufzuzeigen. Obwohl dies eine grosse Herausforderung darstellt und im Tourismus kaum verbreitet ist, können Best Practices anderer Unternehmen und regionalen Ebenen herangezogen werden. Drittens haben sich erfolgreiche Massnahmen, im Sinne von Absenkpfaden, für touristische Destinationen durchzusetzen. Die aktuell vielversprechenden Hebel für Emissionsreduktionen liegen in den Bereichen Gebäude, Ernährung sowie An- und Abreise.

Wandel vorausschauend entwickeln
Mit dem Setzen von Rahmenbedingungen und Impulsen übernimmt die Politik auf allen Ebenen eine zentrale Rolle, um die grüne Transformation des Tourismus anzustossen. Die Tourismusforschung ihrerseits steht ebenfalls in der Pflicht, sich zum Tourismus der Zukunft Gedanken zu machen. Denn Reisen soll auch im Jahre 2050 möglich sein – die Frage ist, wie sich das abspielen kann.

Solche Fragestellungen stehen unter anderem im Fokus der 25. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft (DGT) vom 8. bis 10. Dezember 2022 in Bern. Mit dem Kernthema der anstehenden grünen Transformation des Tourismus hinsichtlich der Klimaneutralität beschäftigen sich Tourismusforschende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz während dreier Tage. Dabei sind auch interessierte Touristikerinnen und Touristiker herzlich willkommen.

Monika Bandi Tanner ist Co-Leiterin Forschungsstelle Tourismus (CRED-T), Zentrum für Regionalentwicklung, Universität Bern

Tourismus und Klimaneutralität

Anlass: 25. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft (DGT)
Veranstalterin: Forschungsstelle Tourismus (CRED-T)
Datum: 8.12.2022 bis 10.12.2022
Ort: Donnerstag: Swissôtel Kursaal Bern AG, Kornhausstrasse 3, 3013 Bern; Freitag und Samstag: Universität Bern, UniS, Schanzeneckstrasse 1, 3001 Bern
E-Mail: dgt2022.cred@unibe.ch
Tel.: 031 684 37 11
www.cred-t.unibe.ch/dgt2022