Am 1. August feiert der Schweizerische Nationalpark (SNP) im Engadin sein 111-jähriges Bestehen. Er ist nicht nur das älteste Naturschutzgebiet der Alpen, sondern auch ein touristischer und wissenschaftlicher Magnet. Mit jährlich rund 87'800 Besucherinnen und Besuchern trägt er zur regionalen Wertschöpfung bei – der Umsatz lag 2024 bei über sechs Millionen Franken.
Gleichzeitig bleibt der Park ein einzigartiges Freiluftlabor. Auf 170 Quadratkilometern, einer Fläche so gross wie das Fürstentum Liechtenstein, erforschen Wissenschaftsteams den Klimawandel, die Artenvielfalt oder die Wirkung unberührter Ökosysteme. Datenreihen bestehen seit 1917, Kamerafallen mit KI-Analyse ermöglichen neue Einsichten in das Verhalten scheuer Wildtiere.
Doch auch ein solcher Rückzugsort ist nicht frei von Eingriffen. Die Nutzung des Flusses Spöl durch Kraftwerke wurde 1957 nach heftigem Abstimmungskampf bewilligt. Acht Jahre nach einem PCB-Unfall belasten die Altlasten das Gewässer weiterhin. Die geplante Sanierung 2026 umfasst sogar die Umsiedlung von 12'000 Fischen.
Ein weiterer Streitpunkt ist der Umgang mit Grossraubtieren: Das Wolfsrudel, das im Park lebte, wurde 2023 ausserhalb der Parkgrenzen vollständig getötet. Ob dies gerechtfertigt war, bleibt umstritten. Der SNP betont, dass Schutz und Koexistenz vereinbar sein müssen – ein Balanceakt, der auch touristische Emotionen berührt.
Was einst im Schatten des Ersten Weltkriegs eröffnet wurde, ist heute ein Symbol für nachhaltige Entwicklung und naturnahe Erholung. Der SNP zeigt, wie Tourismus und Schutz Hand in Hand gehen können, wenn politische, wirtschaftliche und ökologische Interessen austariert sind. (keystone-sda/bb)