

Dossier: Fünf Sinne
Gastfreundschaft, die berührt
Atmosphäre
Zwischen Vogelgesang und Raumduft

Ob ein Aufenthalt im Hotel als angenehm, entspannend oder gar unvergesslich wahrgenommen wird, hängt massgeblich davon ab, wie sehr er die Sinne berührt. Genau damit kennt sich der englische Psychologe und Sensorikforscher Charles Spence aus. Der preisgekrönte Professor der Universität Oxford untersucht das Zusammenspiel unserer Sinne beim multisensorischen Erleben – auch im Hotel und im Restaurant. 2022 erschien im…
Lärm
Räume reden – manchmal zu laut
Erinnern Sie sich an Ihre letzte Generalversammlung? Der formelle Teil war informativ, doch beim anschliessenden Apéro riche musste man sich fast anschreien, um das Gegenüber zu verstehen. Ein Klassiker. Räume reden – manchmal zu laut. Patrick Dietrich kennt diese Situationen nur zu gut. Er ist Direktor des traditionsreichen 5-Sterne-Hotels Waldhaus Sils im Engadin und wurde 2024 zum Hotelier des Jahres gekürt.…
Meinung
Weshalb Kunst ins Hotel und nicht in die Lagerhalle gehört
Mit über 100 Werken renommierter Künstler aus verschiedenen Epochen verbindet unsere Sammlung – genauso wie die Architektur des Hotels – Tradition und Moderne und lädt die Gäste dazu ein, Kunst auf ihre ganz persönliche Weise zu erleben.
Bleibt Kunst in Lagerhallen, ist sie unsichtbar – sie verliert ihren Zweck, den Dialog mit den Betrachtenden, und kann weder ästhetisch noch kulturell wirken. Künstlerinnen und Künstler aber wollen mit ihrer Arbeit eine Verbindung zur Welt und den Menschen schaffen – sei es durch Provokation, Reflexion oder Inspiration. Nicht zugänglich für die Öffentlichkeit in einer Lagerhalle ist dies unmöglich – es wäre quasi wie ein Gespräch ohne Zuhörer. Im «Dolder Grand» hingegen ist Kunst ein lebendiger Teil des Alltags unserer Gäste und Mitarbeitenden. [RELATED]
Ein weiterer Punkt ist, dass Gäste Kunst im Hotel in einer entspannten Atmosphäre erleben können. Anders als in einem Museum ist sie weniger formell. Ein gutes Beispiel ist unsere Canvas Bar & Lounge: Mit den ausgestellten Werken unter anderem von Bob und Roberta Smith, Jack Vertiano, Urs Fischer oder Francesco Clemente und einer Installation von Jean Tinguely, die die Gäste selbst in Bewegung setzen können – wirkt sie wie eine kleine Privatgalerie.
Gleichzeitig lädt sie zum Verweilen und zum Austausch ein. Auch im Gartenrestaurant Blooms erleben die Gäste mehr als nur kulinarischen Genuss. Die monumentale Skulptur von Keith Haring zwischen den Gemüsebeeten schafft eine besondere Umgebung. Diese Verbindung von Kunst, Natur und Kulinarik ermöglicht den Gästen einen neuen, vielleicht intuitiveren Zugang zur Kunst.
Darüber hinaus hat Kunst das Potenzial, Räume aktiv zu verändern und nicht nur zu dekorieren. Ein Beispiel sind die Fensterinstallationen von Jani Leinonen in unserer unteren Steinhalle: Sie bereichern den Raum nicht nur visuell, sondern verleihen ihm eine völlig neue Dimension.
Schliesslich kann Kunst im Hotel nicht nur eine besondere Atmosphäre für die Gäste schaffen, sondern auch eine gesellschaftliche Aufgabe erfüllen. Wenn Werke als Leihgaben an Museen und Ausstellungen gehen – wie aktuell das Kunstwerk Le Monde von Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely –, ist das ein Beitrag, Kunst einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
Mit Werken von Salvador Dalí oder Joan Miró trägt das «Dolder Grand» zur kulturellen Landschaft bei – weit über seine Rolle als Luxushotel hinaus.
Zur Person
Markus Granelli ist General Manager des Hotel The Dolder Grand. Die Kunstsammlung im «Dolder Grand» umfasst über 100 bedeutende Werke. Darunter finden sich Arbeiten von weltbekannten Künstlern wie Salvador Dalí, Joan Miró, Keith Haring, Fernando Botero, Takashi Murakami und Andy Warhol.
Meinung
Wo bleibt der Charme des Imperfekten?
Sehen: Perfekt optimierte Ästhetik – oder langweilig?
Ein perfekt designtes Hotel ist heute kein Kunstwerk, sondern das Resultat von Big Data. Künstliche Intelligenz weiss, welche Farben beruhigen, welches Licht für Instagram-Selfies schmeichelhaft ist und wie viele Pflanzen ein Hotel braucht, um «urban jungle» auszustrahlen. Das hat Vorteile: kein grelles Licht beim Date im Restaurant, kein Teppichdesign, bei dem man sich fragt, ob es eine Industrie für kreative Farbkombinationen gibt. Aber es gibt auch eine Kehrseite: Wo bleibt die Individualität, wenn alles auf Berechnung basiert? Das Ambiente ist makellos, aber wo ist der kreative Wahnsinn, der Charme des Imperfekten, die Überraschung?
Hören: Die Stimme der Gastfreundschaft – menschlich oder mechanisch?
Früher: «Guten Abend, Herr Meier, schön, dass Sie wieder da sind!» Heute: «Ihr Anruf ist uns wichtig. Drücken Sie die 1 für ein Upgrade, die 2 für einen neuen Türcode oder die 3, um mit einem echten Menschen zu sprechen (voraussichtliche Wartezeit: 37 Minuten).» Digitale Assistenten sind nützlich. Sie verstehen (meistens), was man sagt, haben nie schlechte Laune und arbeiten rund um die Uhr. Aber die warme, persönliche Stimme einer Gastgeberin kann keinen Chatbot ersetzen. Und wenn uns der Kellner «Den Rotwein kann ich Ihnen sehr empfehlen!» ins Ohr flüstert, klingt das verlockender als ein Pop-up-Fenster mit «Unsere Top-Weinauswahl für Sie». [RELATED]
Riechen: Der Duft der Erinnerung – personalisiert oder steril?
Gerüche sind mächtig. Der Duft von frischem Kaffee am Morgen, von Meer und Sonnencreme oder von warmem Zimtgebäck kann Erinnerungen wecken, die tiefer gehen als jedes Marketingversprechen. Hier bietet die Digitalisierung faszinierende Möglichkeiten: Smarte Duftsysteme verwandeln eine Lobby in eine Oase der Entspannung oder schaffen in Sekunden eine weihnachtliche Atmosphäre. Dies ermöglicht grossartige Anknüpfungspunkte mit dem Gast, aber manchmal riecht «intelligente Raumbeduftung» leider mehr nach Duty-Free-Shop als nach heimeliger Gemütlichkeit. Die Frage stellt sich: Sollte ein System das improvisierte Aroma eines frisch gebackenen Kuchens ersetzen? Oder gibt es vielleicht doch bald Duftabos: «Jetzt upgraden auf ‹Erinnerung an den Sommer 2024›.»
Hotellerie und Gastronomie sind ein Fest für die Sinne – oder sollten es zumindest sein. Doch wenn Chatbots charmante Kellner ersetzen und Algorithmen die Menüwahl übernehmen, stellt sich die Frage: Kann Technologie die Magie echter Gastfreundschaft verstärken – oder laufen wir Gefahr, dass sie am Ende dem Erlebnis die Seele raubt?
Mensch oder Maschine: Die Balance ist entscheidend
Natürlich hat Technologie ihre Vorteile. Niemand vermisst das endlose Warten auf eine Bedienung oder den Papierkram beim Check-in. Aber die Frage bleibt: Wie viel Digitalisierung verträgt die Gastfreundschaft, bevor sie seelenlos wird? Die Gefahr ist real: Wenn Effizienz zum Selbstzweck wird, geht das verloren, was Gastfreundschaft einzigartig macht. Die Zukunft liegt also nicht in der Entscheidung für oder gegen Technologie, sondern im richtigen Gleichgewicht. Smarte Systeme können Mitarbeitende entlasten, aber sie sollten sie nicht ersetzen. Digitale Assistenten können das Gästeerlebnis optimieren, aber sie dürfen nicht die menschliche Note auslöschen. Am Ende bewertet ein Gast nicht, wie effizient ein Hotel ist – sondern wie es sich anfühlt. Und das kann kein Algorithmus berechnen!
Fühlen: Die Haptik der Gastlichkeit – digital oder persönlich?
Ein Hotel kann noch so smart sein – wenn sich das Kopfkissen anfühlt wie eine Betonplatte und die Touchscreens nicht reagieren, ist der Ärger vorprogrammiert. Gastfreundschaft ist ein physisches Erlebnis. Der Handschlag zur Begrüssung, die weiche Tischdecke, das kühle Glas in der Hand – all das macht den Unterschied. Hier zeigt sich das wahre Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine: Automatisierung kann Prozesse verschlanken, aber kann sie auch Berührung ersetzen? Ist es wirklich Fortschritt, wenn Gäste durch ein Hotel gehen, ohne einmal echten Kontakt zu einem Mitarbeiter zu haben?
Schmecken: Algorithmen als Sommeliers?
Früher gab es Empfehlungen vom Chefkoch oder dem Barkeeper Ihres Vertrauens. Heute? «Basierend auf Ihren letzten Bestellungen und Ihrem Instagram-Profil empfehlen wir Ihnen den Avocado-Burger mit Süsskartoffel-Pommes.» Klingt schlau, aber ist das noch Genuss oder schon kulinarische Fremdbestimmung? Die Digitalisierung hat die Art verändert, wie wir Essen und Trinken erleben. Smarte Weinkarten analysieren Geschmacksvorlieben, ein Algorithmus kann aus Tausenden von Gästebewertungen ableiten, welches Gericht besonders gut ankommt. Aber Genuss ist oft irrational. Ein guter Kellner sieht, wenn Sie heute Lust auf etwas Besonderes haben, ein Algorithmus sieht Zahlen. Was ist mit den spontanen, unvernünftigen Bestellungen, den Experimenten, den Geschichten hinter den Gerichten?
Nicole Hinrichs ist Prorektorin der Graduate School an der EHL in Lausanne.
Arbeitsbedingungen
Gutes Klima zahlt sich für alle aus
In kaum einer Branche wird mit so viel Herzblut hart gearbeitet wie im Gastgewerbe. Gleichzeitig zählen Gastbetriebe zu den Arbeitsumfeldern mit den höchsten physischen und psychischen Anforderungen – besonders in Sterneküchen oder Betrieben mit schwankenden Gästezahlen. «Gerade in diesen Häusern sorgen hoher Zeitdruck, knappe Margen und komplexe Abläufe für besondere Herausforderungen», sagt Andreas Martens,…
Meinung
Der rote Faden und mein sechster Sinn
Die fünf Sinne begleiten mich durchs Leben, prägen meine Wahrnehmung und wecken Emotionen, die in meinen Erinnerungen gespeichert werden. Sie machen Lust auf mehr. In der Hotellerie und Gastronomie sind sie mittlerweile unverzichtbarer Bestandteil des «Sensory Marketing», das ein ganzheitliches Erlebnis schafft, den Umsatz steigert und sich nachhaltig im Unterbewusstsein der Gäste verankert.
Ich bin ein visueller Mensch. Deshalb nehme ich beim Betreten eines Hotels die schöne Einrichtung und das durchdachte Design wahr. Es ist ein bewusstes Eintauchen und Einlassen auf alles, was mich umgibt. Mein Auge und meine «Déformation professionelle» nehmen eben auch Ungewolltes wahr. Betrete ich die Hoteltoilette oder das Fitnesscenter und es riecht unangenehm, rümpfe ich die Nase. Es kann den Aufenthalt trüben. [RELATED]
Im Gegensatz dazu bleiben der angenehme Raumduft in der Lobby und der frische Blumenduft im Gedächtnis haften. Diese olfaktorischen Eindrücke schaffen bei mir das Gefühl von Wohlbefinden und Zugehörigkeit. Mein Gaumen erfreut sich an den Kreationen des Küchenchefs oder der exquisiten Tartelette au citron der Patissière. Hier zeigt sich, dass die Liebe zum Detail für den Geschmack entscheidend ist.
Haptische Eindrücke verstärken das Gefühl von Geborgenheit. Das sanfte Eintauchen in weiche Bettlaken oder das Einkuscheln in einen flauschigen Bademantel sind kleine, aber bedeutende Momente, die den Aufenthalt unvergesslich machen. Die Klänge des sympathischen Pianisten in Lobby, Bar und Gängen laden ein, mich ganz diesem Moment hinzugeben. Meine «Lust auf mehr» und der Gedanke «Hierher komme ich zurück» entstehen nur, wenn das Gesamtpaket harmonisch ist.
Haptische Eindrücke verstärken das Gefühl von Geborgenheit.
Wenn der freundliche Türsteher am Eingang mich mit Namen anspricht und die Réceptionistin mich mit «Schön, dass Sie da sind – auf was haben Sie heute Lust?» begrüsst, fühle ich mich gleich wahrgenommen. Da vergesse ich dann gerne meine lange To-do-Liste. Spätestens aber, wenn der Restaurantmanager mir meine Lieblingsspeise, Wiener Schnitzel, vorschlägt. Und wenn der Barman meinem Hund liebevoll eine Decke und einen Wassernapf bringt und später mit der Leckerli-Kiste vorbeischaut, dann hat das den Wow-Effekt. In solchen Augenblicken zücke ich mein Handy, um ein Foto zu machen, um es später mit meinen Liebsten zu teilen oder auf Instagram zu posten.
Gastfreundschaft will inszeniert werden. Deshalb propagiere ich ein durchdachtes Konzept mit einem roten Faden und der Passion der Mitarbeitenden, Gastgeber zu sein. Daraus werden Erlebnisse für die Sinne und die Ewigkeit geboren. Es sind die Menschen im Hotel, die mich nachhaltig beeindrucken – sie sind die Seele des Hauses, sie knüpfen diesen roten Faden im Hotel zu Ende.
Mein sechster Sinn ist mein wichtigster Begleiter und Wegweiser. Er zeigt mir zuverlässig an, wohin ich bestimmt zurückkommen werde – egal, wo auf dieser Welt das ist.
Tanja Wegmann leitet seit drei Jahren ihr Beratungsunternehmen Tanja Wegmann Hospitality. Mit umfassender Managementerfahrung und einem MBA der Henley Business School berät sie Unternehmen und ist in mehreren Verwaltungsräten sowie Stiftungen tätig.
Alleinstellungsmerkmal
Inszenierte Ästhetik: Wie Hotels mit Kunst Profil zeigen
Kunst besitzt die faszinierende, oft herausfordernde Eigenschaft, mehrdeutig zu sein. Sie kann begeistern, provozieren, irritieren oder erleuchten. Sie spricht damit nicht nur das Auge an, sondern fordert auch den Intellekt heraus. Hotels haben in den letzten Jahren erkannt, dass Kunst weit mehr ist als ein visuelles Statement: Sie schafft Atmosphäre, lädt zum Innehalten ein und verleiht einem Haus eine…
Geruchswahrnehmung
Zeit für das perfekte Dufterlebnis
Wer kennt sie nicht, diese bittere Erfahrung? Sie wollen endlich die schweren Koffer abstellen und sich von einer anstrengenden Woche erholen. Das Hotelzimmer haben Sie sorgfältig ausgewählt – Bilder studiert, Bewertungen gelesen, alles wirkte stimmig. Doch beim Betreten trifft Sie ein Geruch, der in keiner Onlinegalerie zu finden war: eine Mischung aus Teppichboden, überreifem Obst, kalten Zigarren, Schweiss oder…
Geschmacksempfinden
Karin Tischer: «Textur und Mundgefühl sind nach wie vor elementar»
Karin Tischer, welche globalen Foodtrends bestimmen derzeit die Gastronomie? Wir verzeichnen einige globale Foodtrends. Die stärkere Gesundheitsorientierung – der Plantarismus, also die stärker pflanzenorientierte Ernährung, darunter die kleineren Gruppierungen der veganen und vegetarischen Ernährungsweisen – ist ein wichtiger Leuchtturm. Aber auch die Digitalisierung mit KI hat sich zu einem eigenen Digiversum…
Duftende Atmosphäre
Serge Marzetta: «Ein Hotel mit blühendem Charme begeistert»

Die Mitte der Lobby ziert ein grosser Blumenstrauss, der jede Woche im Einklang mit den Jahreszeiten neu zusammengestellt wird. Die ersten Pfingstrosen sind eingetroffen. Eingerahmt werden sie von Lilien, Magnolien, Pampasgras und Schleierkraut. In der Woche der Genfer Uhrenmesse Watch & Wonders herrscht im Four Seasons Hotel des Bergues reges Treiben. Serge Marzetta, seit der Eröffnung des Luxushotels im Jahr 2005…
Gartenaromen
Blütenzauber auf dem Teller, intensiv in Geschmack und Farbe

In der Pinte des Mossettes im freiburgischen Cerniat ist der Garten eine Erweiterung der Küche. Die Pflanzenwelt ist Teil der DNA dieser Location. «Blumen bieten eine breite Palette an Aromen, die sehr wichtig und in unseren Gerichten sehr präsent sind», sagt Nicolas Darnauguilhem (1 Michelin-Stern und 1 grüner Stern). Der Küchenchef verwendet die Blüten sowohl frisch als auch getrocknet und oft als Aufguss – doch…
Kunst
Sandra Lardi: «Man kann nur das bieten, was man liebt»
Sandra Lardi, wie kamen Sie auf die Idee, Malkurse in Ihrem Hotel anzubieten? Mit 40 Jahren habe ich mir zum ersten Mal einen Urlaub ohne Familie gegönnt und dabei das getan, was ich schon immer gerne tun wollte: Malen. Ich erinnerte mich an meine Jugend, als ich mit Buntstiften zeichnete, und nahm an einem Aquarellkurs teil. Später besuchte ich einen weiteren Kurs auf Lanzarote – eine perfekte Kombination aus Malen…