Der 8. Juni  war ein Jubeltag für die Schweizer Hotellerie: Die sogenannte Lex Booking  wird umgesetzt, die Änderung des Artikels 8 im Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb wurde auch im Ständerat angenommen.

Das heisst, die Hotelièren und Hoteliers, die einen Vertrag mit einer grossen Buchungsplattform wie Booking, Expedia oder HRS haben, können über ihr Angebot auf ihren eigenen Websites wieder selbst bestimmen: Es darf wieder günstiger sein als auf den internationalen Onlineplattformen.

«Jetzt können wir wieder auf Augenhöhe zusammenarbeiten.»
Thomas Kübli, General Manager im Hotel Ambassador, Bern

«Wir bezahlen den Buchungsportalen zwischen 12 und 15 Prozent Kommission», erklärt Thomas Kübli vom Berner «Ambassador». Er hat sich wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen oft über die Vertragsbedingungen von Booking geärgert. Nun freut er sich: «Jetzt können wir wieder als Partner auf Augenhöhe mit den Buchungsplattformen zusammenarbeiten.»

Guter Service, ungerechte Bedingungen
Es war ein Kampf wie David gegen Goliath. Auf der einen Seite die Schweizer KMU, auf der anderen Seite die Internetgiganten wie Booking, Expedia und HRS. Dank ihrer Marktstärke konnten sie fast schalten und walten, wie sie wollten. Die Booking Holding ist der grösste Player hierzulande, mit einem Anteil von gut 77 Prozent im Markt der Online Travel Agencys (OTAs).

«Booking ist vor allem für den Hotelgast gut», meint Thomas Kübli. Natürlich bietet die Plattform auch Sichtbarkeit und ist ein Marketingkanal für die Hotels. «Die Kommissionen könnte man nun vollumfänglich auf den Gast abwälzen», fährt er fort. «Aber ich rate stark davon ab, auf Booking mit den Preisen gleich um 12 Prozent raufzugehen. Denn Booking bietet gute Dienstleistungen, die man nicht vollständig auf den Gast abwälzen sollte.» Seinen Kolleginnen und Kollegen rät er: «Seid auf der eigenen Website am günstigsten!»

HotellerieSuisse nimmt Kampf auf
Der Berner Hotelier verfolgt die Entwicklung der Lex Booking seit Beginn. Der Kampf hat schon 2012 begonnen, als HotellerieSuisse bei der Wettbewerbskommission (Weko) wegen unlauteren Wettbewerbs intervenierte. Drei Jahre später wurde die sogenannte weite Paritätsklausel verboten, die besagte, dass ein Hotelier seine Zimmer nicht günstiger auf einer Konkurrenzplattform anbieten durfte.

Das Verbot dieser Klausel war ein erster Sieg für die Hotels, aber nur ein halbbatziger. Denn die Booking Holding führte in ihren Verträgen gleich vor Bekanntgabe des Weko-Entscheids eine andere Klausel, die sogenannte enge Paritätsklausel, ein. Damit verboten sie den Hotelièren und Hoteliers, auf ihren eigenen Websites die Zimmer günstiger anzubieten als bei Booking.com.

Paritätsklauselverbot: ja, aber richtig
«Da beschlossen wir, es auf politischem Weg anzugehen», erzählt Christophe Hans, Leiter Public Affairs bei HotellerieSuisse. Der Verband war motiviert durch die Erfolge im nahen Ausland: Frankreich hatte damals die enge Paritätsklausel schon verboten, bald darauf folgten Deutschland, Österreich und Italien. Später Belgien und Portugal.

Der Nationalrat Pirmin Bischof reichte im September 2016 die Motion «Verbot von Knebelverträgen der Onlinebuchungsplattformen gegen die Hotellerie» ein. Das Geschäft lief zäh durch die staatlichen Mühlen, die Bundesverwaltung hatte es nicht eilig. «Sie hat uns Steine in den Weg gelegt und immer wieder Argumente gebracht, um nicht intervenieren zu müssen», sagt Christophe Hans.

Zähes Ringen um den Erfolg
Dass das Geschäft nach sechs Jahren nun erfolgreich abgeschlossen wurde, führt er hauptsächlich auf zwei Faktoren zurück. Zum einen auf den veränderten Zeitgeist: «Heute ist man sich viel stärker bewusst, dass auch die Digital Economy geregelt sein muss – um ein Ausufern zu verhindern.»

«Wir haben zum ersten Mal überhaupt so viel Aufwand für ein Geschäft betrieben.»

Christophe Hans, Leiter Public Affairs HotellerieSuisse

Als Zweites führt er das sehr konsequente Lobbying auf: «Wir konnten nicht nur mit Pirmin Bischof einen fundierten Wettbewerbsrechtler mit einer starken Stimme im Parlament für das Anliegen gewinnen. Wir haben uns auch stark vernetzt: mit Mitgliedern, Regionalverbänden, mit unseren Kollegen in den Nachbarländern und der Zentrale von Hotrec in Brüssel.

Wir haben zum ersten Mal überhaupt so viel Aufwand für ein Geschäft betrieben.» Dass es so lange gedauert hat, war letztendlich positiv, denn der Zeitgeist veränderte sich im Sinn der Hotellerie.

Trotz Marktmacht Angst vor Trittbrettfahrern
Dass die enge Paritätsklausel nun verboten ist, freut die Booking Holding natürlich nicht. Sie ist überzeugt, dass «sogenannte enge Paritätsklauseln fair sind, die Preise für die Verbraucher wettbewerbsfähig halten und für Reisende, Unterkunftsanbieter und Onlinereiseplattformen gleichermassen von Vorteil sind», lässt sie verlauten.

Der Entscheid könnte zudem zu höheren Preisen für Reisende führen. Der Konzernleiter äusserte zudem die Befürchtung, Kundschaft wegen «Trittbrettfahrern» zu verlieren: Reisende, die sich die Angebote auf Booking ansehen, dann direkt beim Hotel buchen und so gratis von der Plattform profitieren.

«Die Gäste schauen nicht einzig und allein auf den Preis.»

Christophe Hans, Leiter Public Affairs HotellerieSuisse

Wettbewerb ist für alle gut
Die Angst ist unbegründet, wie mehrere europäische Studien belegen. In Deutschland, wo die enge Paritätsklausel seit 2015 verboten ist, zeigt sich eine Marktsituation, von der alle profitieren: Der Hotelier ist flexibler in der Angebots- und Preisgestaltung, und die OTAs werden nach wie vor rege genutzt.

Die Konkurrenz belebt den Markt, die Preise sind im Durchschnitt gesunken – was gut für die Gäste ist: eine Win-win-Situation. «Es zeigt sich, dass die Gäste nicht einzig und allein auf den Preis schauen», sagt Christophe Hans. «Für sie sind auch schnelles Buchen, sicheres Bezahlen und die Vertrautheit mit einer Plattform ausschlaggebend.» Sie buchen weiterhin über Booking, weil sie damit zufrieden sind.

Die Zukunft ist digital
Buchungen per Internet sind die Zukunft. Umso wichtiger ist eine rechtzeitige Regelung des digitalen Business. Gut 43 Prozent der Logiernächte werden in der Schweiz elektronisch gebucht, das sind drei Prozent mehr als 2019. Während die Buchungen über Reisebüros oder Tourismusorganisationen stark eingebrochen sind, konnten die grossen Buchungsportale wie Booking ihren Marktanteil halten.

Während der Pandemie war ein interessantes Phänomen zu beobachten: Wieder mehr Gäste buchten per Telefon und E-Mail direkt beim Hotel. Lag der Anteil der Direktbuchungen 2019 noch bei 57 Prozent, erreichte er 2021 hohe 63 Prozent. Die Zahlen dürften nun wieder sinken, weil mehr Gäste aus den Fernmärkten und Geschäftsreisende anreisen, zudem haben die Gäste nicht mehr so viele Fragen wie während der Pandemie.

Grosse Player gewinnen in ganz Europa
Der Markt der OTAs ist klar abgesteckt: In der Schweiz gibt es drei grosse Player: Booking Holding, Expedia Group und HRS machen gut 92 Prozent des OTA-Marktes aus. Diese konnten ihre Position stärken. Wurden 2013 noch 22 Prozent der Logiernächte via OTAs gebucht, sind es heute fast 29 Prozent – Tendenz steigend.

«Die Regulierung der digitalen Wirtschaft wird uns politisch weiterhin begleiten.»

Christophe Hans, Leiter Public Affairs HotellerieSuisse

In Europa zeigt sich dasselbe Bild: Die OTAs steigern ihre Marktmacht laufend und haben einen Anteil von fast 29 Prozent an den Buchungen, wie neuste Zahlen zeigen. Dabei hat die Booking Holding die Nase vorn und gewinnt weltweit Marktmacht: Das Nettoeinkommen betrug 1,2 Milliarden US-Dollar, im Vorjahr waren es noch 59 Millionen.

Weitere Regulierungen in Europa in Umsetzung
In Sachen Lex Booking heisst es vorerst: «Wir müssen jetzt geduldig die Referendumsfrist abwarten», sagt Christophe Hans. «Ich nehme an, dass es vor November keine Inkraftsetzung gibt.» Die Regulierung der digitalen Wirtschaft werde aber politisch weiterhin zu tun geben. In Europa bewegt sich derzeit viel, was Auswirkungen auf die Schweiz haben wird.

Der neue «Digital Market Act» will die Praktiken von grossen Plattformen einschränken, und der «Digital Service Act» soll für eine strengere Aufsicht von Onlineplattformen und für mehr Verbraucherschutz sorgen.