Kennen Sie das Eltern-Ich, das mit dem Kind-Ich spricht? Die Transaktionsanalyse ist eine einfache, durchaus eingängige psychologische Theorie von Eric Berne. Sie besagt unter anderem, dass wir mündigen Erwachsenen nicht besonders auf Empfang sind, wenn man mit uns wie mit Kindern spricht. Dieser autoritär-erzieherische Ton stösst nicht auf Anklang, schon gar nicht im Hospitality-Umfeld. Ein Beispiel gefällig? 

Kürzlich war ich in einem dieser modernen, etwas gesichtslosen Häuser in Berlin zu Gast. Alles o. k., funktionale Zimmer, sauber, nichts Spektakuläres. Untertags ging ich ins Humboldt-Forum und kehrte gegen zwei Uhr nachmittags zurück. Ich wollte mich ein paar Minuten aufs Ohr legen, bevor es weiter in die Oper ging. Doch leider waren weder Bett noch Bad gemacht. Auf dem Gang begegnete ich per Zufall der netten Dame vom Housekeeping (dieses ist natürlich outgesourced ...) und bat sie, mein Zimmer rasch in Ordnung zu bringen. Sie checkte ihre Liste und sagte, dass sie dies nicht tun dürfe, denn ich sei erst morgen wieder dran ...

Also begab ich mich – leicht säuerlich – an die Réception, wo mir beschieden wurde, dass die Zimmer nur jeden zweiten Tag gemacht würden – dies aus Umweltschutzgründen. Als ich mich damit nicht einverstanden erklärte, wurde mir mitgeteilt, dass dies schon auf der Buchungsbestätigung sowie auf der Website so gestanden habe. Ich hätte einfach genauer lesen müssen. Nun rebellierte mein Kind-Ich energisch, und ich wollte es genau wissen. Akribisch ging ich meine Buchungsunterlagen durch. Weit und breit nichts von «Heute kein Service», auch auf der Website fand ich nichts von besagtem 2-Tages-Rhythmus. Nach einem zweiten Schlagabtausch mit dem Réceptionisten, der seiner rüden Wortwahl zufolge keine Schweizer Hotelfachschule absolviert haben dürfte, wurde das Zimmer doch noch gereinigt. Widerwilligst.

Ich mag es gar nicht, wenn Serviceabbau mit einem grünen Mäntelchen getarnt wird.

Was lernen wir daraus? Ich verfüge durchaus über ein Bewusstsein für nachhaltiges Reisen. So ist es absolut nicht nötig, jeden Tag die gesamte Bettwäsche und alle Badetücher auszutauschen. Aber ich will weder bevormundet noch vor versammelter Runde am Check-in belehrt werden. Und überhaupt nicht mag ich, wenn Serviceabbau mit einem grünen Mäntelchen getarnt wird. Dass mir überdies unterstellt wird, bei der Buchung nicht richtig gelesen zu haben, ist mehr als anmassend. Es ist Aufgabe des Betriebs, seine Gäste vor der Buchung korrekt über die Spielregeln zu informieren. Wären mir diese bekannt gewesen, hätte ich sicherlich nicht auf «Zustimmen» geklickt.

PS: Von wegen Zimmerreinigung ... Vor ein paar Wochen war ich an einer Tagung in Bratislava – und wieder hatte ich nicht gut aufgepasst. Denn als ich mich nach einem anstrengenden Referat ausruhen wollte, war mein Zimmer um halb vier noch nicht hergerichtet. Die lapidare Antwort des Réceptionisten lautete: «Sie hätten halt das Schild ‹Clean my room› an die Türfalle hängen sollen.» Dies stünde deutlich auf einem Zettel, der auf dem Desk im Zimmer liege. Nun war mir ausgerechnet dieser Umstand bei der spätnächtlichen Anreise entgangen. Was lernen wir? Besser aufpassen, lieber Gast!

Zur Person
Reto Wilhelm ist geschäftsführender Inhaber der Kommunikationsagentur Panta Rhei PR in Zürich, Chur, Glarus und Amriswil, die sich unter anderem auf PR, Marketing und Werbung in Tourismus, Hotellerie und Gastronomie sowie Mobilität und Freizeit spezialisiert hat. Wilhelm unterrichtet an Höheren Fachschulen für Tourismus (HFT Graubünden und IST AG Zürich) Storytelling und ist im Verwaltungsrat der Engadin Tourismus AG.