Monique Moretti, was hat Sie damals besonders an der Aufgabe als Leadauditorin gereizt?
Nach 26 Jahren als Unternehmerin war ich auf der Suche nach einer sinnvollen Aufgabe, in der ich meine umfangreichen Erfahrungen und mein Wissen einsetzen konnte. Ich liebe die Hotellerie, die Hotels und natürlich das Unterwegssein – ganz nach meinem Motto: «Wer sich bewegt, bewegt mehr» – oder umgekehrt: «Jeder Schritt zählt». Und, ganz ehrlich – zuerst hing bei mir im Büro die Schweizer Landkarte, um mir die geografische Verteilung der Audit-Orte bewusst zu machen und eine effiziente Besuchsorganisation zu planen. Also, meine Geografie-Kenntnisse haben maximal zugenommen.
Wie hat sich Ihre Rolle im Laufe der Jahre verändert?
In einer ersten Phase ging es eher darum, Checklisten abzuarbeiten und mich in die Region und die Materie einzuarbeiten. Im Laufe der Zeit wandelte sich der gesamte Klassifikationsprozess – er wurde digitaler, strukturierter und effizienter. Die Hoteliers konnten sich gezielter vorbereiten, wurden kritischer und stellten mehr Fragen. So entwickelte sich meine Rolle von der reinen Kontrolleurin zur Sparringspartnerin – Audits auf Augenhöhe.
Vorbild und Partnerin für Mitgliederbetriebe
«Eine Dienstleistung funktioniert dank den Menschen, die diese erbringen. Gepaart mit ihrer Liebe zur Hotellerie war Monique Morettis Qualitätsbewusstsein und ihr Engagement für die Sache ein Gradmesser für das ganze Klassifikationsteam. Mit ihrer intrinsischen Motivation für die Tätigkeit war sie Vorbild und nicht Kontrolleurin, eine Partnerin für die Mitgliederbetriebe von HotellerieSuisse. Nach über 4500 Audits verlässt Monique nun das Team, um den verdienten Unruhestand mit ihrer Familie zu geniessen. Im Namen des Verbandes danke ich Ihr für Ihre Arbeit, die sie für die Schweizer Hotellerie geleistet hat, für die tolle Zusammenarbeit und wünsche ihr das Allerbeste.»
Daniel Beerli, Leiter Klassifikation bei HotellerieSuisse
Sie waren selbst Unternehmerin. Inwiefern hat diese Erfahrung Ihre Tätigkeit als Auditorin geprägt?
Ich bin es gewohnt, alles aus der Sicht des Gastes zu betrachten, zu reflektieren und dabei auch die wirtschaftlichen Aspekte einzubeziehen. Natürlich gehören Leidenschaft für die Hotellerie, Offenheit, Neugier, Service-Exzellenz, ein ausgeprägtes Qualitätsbewusstsein, Detailorientierung, Haltung, Belastbarkeit, Resilienz, Flexibilität, Durchsetzungskraft sowie eine klare und schnörkellose Kommunikation dazu. Mehrsprachigkeit und Ausdauer runden mein Profil ab. Diese Werte decken sich mit meinem Verständnis von Freiheit und meiner Leidenschaft für das, was ich tue.
Welche Entwicklung hat Sie in Ihrer Zeit bei HotellerieSuisse besonders beeindruckt – in der Branche oder in den Betrieben?
Zuerst einmal der professionelle Wandel der Klassifikation, der Anstieg der Buchungsplattformen und die wachsende Relevanz von Bewertungsportalen.
In den Betrieben: der anhaltend hohe Investitionswille, die gezieltere Positionierung, die vermehrte Arbeit mit Visionen, Strategien und Konzepten sowie die stärkere Einbindung der Regionalität. Die Spezialisierungsmöglichkeiten innerhalb der Klassifikation haben diese Entwicklung massgeblich unterstützt.
Auf welche Momente oder Projekte blicken Sie mit besonderem Stolz zurück?
Meine zusätzliche Tätigkeit als Jurypräsidentin im Bereich Design hat mich enorm inspiriert. Auch das Engagement als Stiftungsrätin bei der Stiftung Schellenberg war bereichernd. Dazu kam die Möglichkeit, am Seco-Programm teilzunehmen und Erstinterviews durchzuführen.
Immer wieder erhielt ich auch Anfragen für Beratungen und Mystery Checks. Die schönsten Momente waren sicherlich jene, in denen die Zusammenarbeit mit einem Hotelier oder einer Hotelière zu einem sicht- und messbaren Erfolg führte.
Ungewöhnliche Hotelkonzepte habe ich stets selbst ausprobiert – etwa das Capsule Hotel am Flughafen. Und natürlich bleiben mir die besonderen Audits in Erinnerung, bei denen es zu Fuss auf den Berg ging – bei Regen, per Gondelbahn, Schneetaxi oder gar mit dem Pistenbully.
Wie haben sich die Qualitätsansprüche der Hoteliers verändert?
Die Hoteliers fokussieren sich heute stark auf die Gästeperspektive und setzen alles daran, die gestiegenen Erwartungen zu übertreffen.
Was zeichnet die Hotellerie in Ihrer Region aus? Gibt es typische Stärken oder Werte, die Ihnen besonders aufgefallen sind?
Die ausgeprägte Saisonalität, die Vielfalt vom Jugendherbergsbetrieb bis zum 5-Sterne-Superior-Hotel, viele inhabergeführte Häuser, eine hohe Abhängigkeit vom Wetter und der Umwelt sowie ein ausgeprägter Innovations- und Gestaltungswille.
Kettenhotellerie ist eher selten – hier werden Tradition, Innovation und Gastgebertum aktiv gelebt. Mein Herz schlägt für die Privathotellerie.
Wie haben Sie den persönlichen Kontakt zu den Hoteliers erlebt? Gibt es Begegnungen, die Ihnen besonders in Erinnerung bleiben?
In den Anfangszeiten musste ich mir als Schwyzerin das Vertrauen der Hoteliers in Graubünden und der Ostschweiz erarbeiten. Rasch entwickelte sich jedoch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, getragen von Respekt und Vertrauen. Mein differenzierter Gesamtblick und meine Aussensicht halfen den Betrieben weiter. Und ja – es gab herausfordernde Audits. Aber der Anteil an positiven, inspirierenden Begegnungen überwiegt deutlich.
Was würden Sie jungen Menschen raten, die heute in die Qualitätsentwicklung oder Hotellerie einsteigen wollen?
Eine praxisnahe Ausbildung in allen Bereichen der Hotellerie ist essenziell, ebenso eine Hotelfachschule. Wichtig sind: Freude im Umgang mit Menschen, Mehrsprachigkeit, Erfahrungen in verschiedenen Hotelkonzepten, eine Führungsausbildung und Coaching-Kompetenz. Ich empfehle: permanente Weiterbildung, aktives Networking und Teilnahme an Branchenanlässen.
Das Wandern spielt in Ihrem Leben eine wichtige Rolle – war es auch ein Ausgleich zur Arbeit? Welche Route steht als Nächstes an?
Wandern, Natur und Berge sind für mich ein wichtiger Ausgleich zu meiner mental anspruchsvollen und visuell geprägten Audittätigkeit, der intensiven Kommunikation und den vielen Reisen. Zuletzt habe ich den Fishermen’s Trail in Portugal/Algarve absolviert – rund 200 Kilometer dem Atlantik entlang in zehn Etappen. Der Abschluss war ein Stadtbesuch in Lissabon.
Im Juli steht die nächste Weitwanderung in der Schweiz an – natürlich mit Besuchen in Mitgliederhotels von HotellerieSuisse im Engadin.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf den Abschied von Ihrer Funktion als Leadauditorin?
Dankbar, leicht und beschwingt trete ich in meine neue Lebensphase. Ich freue mich auf mehr Zeit mit Familie, Enkelkindern, Freunden, auf ausgedehntere Reisen, Wanderungen, Berge und Natur – insomma, godermi il dolce far niente!
Mit Sebastian Kramer übernimmt ein neuer Leadauditor Ihre Region – was geben Sie ihm mit auf den Weg?
Ich wünsche ihm die Möglichkeit, viele wertvolle Erfahrungen zu sammeln und sich umfassendes Wissen anzueignen. Freude an der neuen Aufgabe und persönliches Wachstum sollen ihn dabei begleiten. Wichtig ist eine gute, unterstützende Zusammenarbeit im Leadauditoren-Team sowie mit dem Backoffice.
In der Begegnung mit Menschen soll er fair, ganzheitlich, respektvoll, fordernd und wertschätzend agieren – und gleichzeitig klar und zielgerichtet handeln. Eine lösungsorientierte Grundhaltung ist ebenso zentral wie eine ausgewogene Balance zwischen Arbeit und Freizeit. Und nicht zu vergessen: Humor ist ein unschätzbarer Begleiter im Alltag.
By the way: Die Audits auf den SAC-Hütten habe ich «uneigennützig» für Sebastian aufgehoben. Falls er dabei Unterstützung durch eine Wanderführerin benötigt – ich stehe gerne bereit.
Zur Person
Monique Moretti verfügt über eine breite und fundierte Ausbildung in der Hotellerie. Nach der Kochlehre absolvierte sie die Hotelsekretärinnenschule sowie die Hotelfachschule Zürich. Es folgten das Unternehmerseminar zum dipl. Hôtelier-Restaurateur SHV/VDH sowie der eidgenössische Fachausweis als Marketingplanerin. Ihre Kompetenzen erweiterte sie zusätzlich als systemischer Coach, Supervisorin und Organisationsberaterin (BSO).
Nach mehreren Saisonstellen im In- und Ausland übernahm sie 1981 als Miteigentümerin und Geschäftsführerin das Hotel Restaurant Chrueg in Wollerau, das sie bis 2007 leitete. Bereits ab 1997 engagierte sie sich als freiberufliche Auditorin für die Hotelklassifikation in der Zentralschweiz, bevor sie 2008 die Rolle als Leadauditorin übernahm – zunächst im Kanton Graubünden, später zusätzlich für die gesamte Ostschweiz. Parallel war sie langjährige Jury-Präsidentin für die Spezialisierung «Design» bei HotellerieSuisse.
In ihrer Laufbahn führte Monique Moretti rund 4500 Audits durch – stets mit einem geschulten Blick für Qualität, Gastorientierung und innovative Konzepte.