Vorab ein Geständnis: Wenn die Schweiz am 18. Dezember im Finale der Fussballweltmeisterschaft steht, werde ich kaum widerstehen können und den Fernseher einschalten. Ansonsten ist für mich dieses Jahr kalte Schulter statt Fussballfieber angesagt. Zu betroffen machen mich die Berichte über Wanderarbeiter, die zu prekären Bedingungen die Stadien gebaut und teils mit ihrem Leben bezahlt haben. Zu absurd erscheint mir ein Fussballturnier in der Wüste, wo die Arenen auf eine erträgliche Temperatur gekühlt werden müssen. Zuwider ist mir die Menschenrechtslage im Golfstaat, wo Homosexuelle als krank und Frauen als Bürgerinnen zweiter Klasse angesehen werden. Die Liste der Bedenken, die ich gegenüber dem Land, der Fifa und dem Turnier habe, ist lang und liesse sich ohne Weiteres verlängern.

Ähnlich wie mir scheint es vielen zu gehen. Die Boykottaufrufe sind in der Schweiz lauter als die Fussballeuphorie – was vermutlich auch am Wetter liegt, das mehr Lust auf Skirennen als auf «Schutte» macht. Unter all diesen Umständen ist es nachvollziehbar, wenn Städte, Bars und Restaurants darauf verzichten, die WM-Spiele zu zeigen. Trotzdem wäre es vermessen, nun jene Lokale zu kritisieren, die sich für einen anderen Weg entschieden haben.

Es ist nicht Aufgabe der Gastronomen, jetzt für alle die Kartoffeln aus dem Feuer zu holen, während unsere Politiker den Emir und sein Gefolge wegen Gaslieferungen hofieren und andere munter mit Katar Geschäfte machen – laut «Tages-Anzeiger» hat sich das Handelsvolumen zwischen der Schweiz und Katar im vergangenen Jahr verdoppelt. Zumal es den wenigsten Lokalen um den Profit gehen dürfte – die Umsätze werden angesichts der fehlenden Euphorie eh gering ausfallen. Einige haben sogar bereits angekündigt, sie würden einen allfälligen Gewinn spenden, den sie während der Weltmeisterschaft erzielen. Für die meisten Lokale geht es vielmehr um einen Dienst am Kunden. So manche Fussballbar weiss genau, dass ihre Gäste die Spiele so oder so verfolgen. Was also macht es für einen Unterschied, ob sie das nun zu Hause oder im Lokal tun?

Ich freue mich jedenfalls bereits auf die WM 2026 in Nordamerika und wünsche mir, allen Gastronomen und Brauereien dann ein umso grösseres Fussballfest, bei dem sich die Gäste um die Bildschirme drängen und das Bier in Strömen fliesst.

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