Mit dem Inkrafttreten der Lex Booking sind Preisparitätsklauseln seit vergangenen Dezember passé. Viele Hotels nutzen die neue Freiheit und bieten auf der eigenen Website systematisch tiefere Preise an. So etwa das unabhängig geführte Hotel Schweizerhof in Zürich. «Wir nutzen den Spielraum für Rabatte aggressiver aus», sagt Vizedirektor Elia Luca Morgenthaler. Angebote auf der hoteleigenen Website sind laut Morgenthaler fix 10 Prozent günstiger als auf Booking.com. Etwas höher sei der Rabatt, wenn Gäste sich per Telefon oder E-Mail mit dem Hotel direkt in Verbindung setzten.

Somit gewährt der «Schweizerhof» für Direktbuchungen einen Preisnachlass, der dem sogenannten Genius-Rabatt entspricht. Booking-Kunden erhalten diesen praktisch automatisch, wenn sie sich mit ihrem Konto einloggen. «Damit schützt sich Booking vor Direktbuchungen», sagt Morgenthaler.

Oft zwischen 5 und 12 Prozent Preisunterschied
So wie das Zürcher Hotel Schweizerhof handhaben es viele Hotels seit vergangenen Dezember: Bei einer Buchung über die Hotelwebsite entspricht der Preisnachlass gegenüber dem Booking-Preis in etwa dem Genius-Rabatt.

Jan Stiller, Direktor des «Lenkerhofs» an der Lenk im Berner Oberland, sieht es umgekehrt: Der Preisaufschlag beim OTA-Preis gegenüber dem Direktpreis betrage 8 Prozent. Schliesslich führten die Provisionen der Plattformen wie Booking zu Mehrkosten, was in die Preisberechnung einfliesse. Bei den von der htr hotelrevue übrigen angefragten Hotels betrug der Preisunterschied zwischen 5 und 12 Prozent.

Der Preisnachlass über «Genius» gewährt ebenso das Hotel selbst. Denn Booking stellt den Hoteliers die Teilnahme am Genius-Rabatt-Programm zwar frei, doch faktisch sind diese dazu gezwungen. Gemäss Morgenthaler macht Booking klar, dass ein Hotel ohne Genius-Rabatt-Option im Listing und somit in der Sichtbarkeit zurückgestuft werden könnte. «Um internationale Gäste zu erreichen, geht es nicht ohne Booking und Expedia. Ausserdem sind die beiden grössten OTAs als Partner für die Erstakquise von potenziellen Gästen, die zukünftig direkt reservieren, unschlagbar», so Morgenthaler.

Der Vizedirektor des «Schweizerhof» Zürich sieht den Umgang mit den OTAs wie Booking somit weiterhin als Gratwanderung. Schon bisher habe man sich nicht an die Preisparitätsklausel gehalten, dies aber zurückhaltender gehandhabt.

OTAs disziplinieren Hotels mit schlechterem Ranking
Schweizer Hoteliers sind sich einig: OTAs wie Booking strafen mit einem schlechteren Ranking Hotels umso mehr ab, je deutlicher sie von der Preisparität abweichen. Dies können sich aber unabhängig geführte Häuser eher erlauben als Hotelketten, die enger mit den OTAs zusammenarbeiten.

Übereinstimmende Direkt- und OTA-Preise finden Gäste manchmal bei Hotels, die zu internationalen Ketten gehören. Beziehungsweise bei Betrieben, die als Franchisepartner Hotelmarken nutzen.

Die Lindner Hotels AG mit Sitz in Düsseldorf umfasst rund 30 Hotels in mehreren europäischen Ländern. Das Lindner Grand Hotel Beau Rivage Interlaken wirbt mit einer «Tiefpreisgarantie» bei Direktbuchung. Allerdings ist diese an die Mitgliedschaft im Gästebindungsprogramm «Nights Member» geknüpft, was die Registrierung vor dem Buchen erfordert. Laut Auskunft der Lindner Hotels & Resorts erhalten Gäste bei einer Registrierung einen Rabatt von 10 Prozent. Gleiches gelte für eine Anfrage per E-Mail oder Telefon. Auch Booking räume unter Nutzung von beispielsweise «Genius» entsprechende Rabatte ein, teilt das Unternehmen mit.

Für die Hotels der SV Group ändert sich nach eigenen Angaben mit der Lex Booking nicht viel. Die Gruppe führt einige ihrer Hotels als Franchise-Partner von Marriott. «Marriott hat aufgrund des hohen Marktanteils weltweite Abkommen mit allen grossen Plattformen, die den Franchise-Partnern zugutekommen», teilt Kommunikationschefin Salome Ramseier mit. Bei den eigenen Marken Stay Kooook, La Pergola und Amaris sei die Direktbuchung günstiger. Um welchen Prozentsatz, lässt Ramseier offen. Ob die Gäste online oder auf einem anderen Kanal buchten, mache dabei keinen Unterschied.

Buchungen über OTAs weniger wichtig als gedacht
Aus Sicht von HotellerieSuisse ist es nicht nachvollziehbar, wenn Hotels ihre neue Freiheit nicht nutzen. Nach dem Erfolg mit der Lex Booking im Parlament sei es wichtig, dass die Hoteliers von der Möglichkeit Gebrauch machten, tiefere Direktpreise anzubieten, sagt Christophe Hans, Leiter Public Affairs bei HotellerieSuisse. «Für Konsumentinnen und Konsumenten ist es nicht verständlich, dass Hotels immer noch gleich teuer oder gar teurer sind als bei OTAs. Das ist imageschädigend für die Branche.»

Fest steht, dass Buchungen über OTAs nicht so bedeutend sind, wie die fortgeschrittene Digitalisierung vermuten lässt. Gemäss den aktuellsten verfügbaren Zahlen erfolgen 63 Prozent der Buchungen über direkte Kanäle wie Telefon, E-Mail oder das Buchungssystem des Hotels. Auf die OTAs entfallen nicht einmal ganz ein Drittel. Innerhalb dieses Kuchenstücks hat Booking einen Anteil von 78 Prozent, Expedia von knapp 12 Prozent.

«Schätzen alle Partner gleichermassen»
Auf Anfrage äussert sich auch Booking zur geänderten Rechtslage in der Schweiz. «Wir waren von der Gesetzgebung enttäuscht und sind nach wie vor der Meinung, dass Paritätsklauseln fair sind, Preise für die Verbraucher wettbewerbsfähig halten und für Reisende, Anbieter und Online-Reiseplattformen gleichermassen von Vorteil sind», teilt das Unternehmen mit. Booking werde weiterhin mit Unterkunftspartnern in der Schweiz zusammenarbeiten und ihnen «die dringend benötigte Nachfrage vermitteln, um sie täglich bei der Vermittlung von Zimmern zu unterstützen und sie mit Reisenden aus der ganzen Welt zu verbinden».

Booking betont, dass Preise und Verfügbarkeit von Unterkünften direkt von den Unterkunftspartnern festgelegt würden. «Wir schätzen alle unsere Partner gleichermassen, unabhängig von den Preisen, die sie auf ihren eigenen Websites anbieten. Sie haben die volle Kontrolle über die von ihnen angebotenen Tarife.»

Opt-out bei saisonalen Aktionen
«Schweizerhof»-Vizedirektor Morgenthaler stimmt dem allerdings nicht komplett zu. Mindestens saisonal nähmen OTAs auf ihren Plattformen Einfluss auf den Preis. Booking verwendet dabei ein Opt-out-System bei Aktionen: Hoteliers müssen sich melden, falls sie den Rabatt nicht gewähren wollen. «Es kam vor, dass wir die Nachricht im Extranet nicht rechtzeitig sahen und Booking unsere Zimmer zum tieferen Preis anbot», sagt Morgenthaler.

Ein weiteres Problem seien die teils tieferen Preise auf der Metasuchmaschine Trivago, einer Tochtergesellschaft von Expedia. Diese kämen einerseits über Weiterverkäufe von Kontingenten zustande, andererseits handle es sich um einen nicht erstattbaren Tarif und somit nicht um ein identisches Angebot.

(15.3.2023 /htr) Booking.com legt Wert auf die folgende Darstellung: 
«Booking.com verwendet kein Opt-out-System bei Aktionen, d.h. unsere Schweizer Unterkunftspartner müssen einen Rabatt, wenn sie ihn anbieten wollen, selbst einstellen und proaktiv in das jeweilige Produkt ein-opten.»

Ueli Abt