Fast 5000 Hotels und Hotelverwaltungen gibt es laut Handelsregister in der Schweiz. Eine breite Vielfalt an verschiedenen Konzepten, Positionierungen, Klassifikationen – und an verschiedenen Rechtsformen. Manche Betriebe sind als Verein organisiert, andere als Stiftung und wieder andere als Einzelfirma. Die Mehrheit aber – 2272, um genau zu sein – sind eine Aktiengesellschaft. Ihr oberstes Führungsorgan ist von Gesetzes wegen der Verwaltungsrat.

Diese sieben Aufgaben muss der Verwaltungsrat erfüllen
Im Vergleich zu einigen anderen Ländern kommt dem Verwaltungsrat (VR) in der Schweiz eine deutlich gewichtigere Bedeutung zu. Das Gesetz definiert den Verwaltungsrat als oberstes Aufsichts- und Gestaltungsorgan einer Aktiengesellschaft. Diesem obliegen sieben konkrete Aufgaben, die das Obligationenrecht (OR) als unübertragbar und unentziehbar definiert und die deshalb nicht an eine Geschäftsleitung delegiert werden können:

• Der VR ist die Oberleitung der Gesellschaft und erteilt die dafür nötigen Weisungen.

• Der VR legt die Organisation der Gesellschaft fest.

• Der VR ist verantwortlich für die Ausgestaltung des Rechnungswesens, der Finanzkontrolle und der Finanzplanung.

• Dem VR obliegt die Ernennung und Abberufung der Geschäftsleitung und der Vertretungsberechtigten.

• Der VR hat die Oberaufsicht über die Geschäftsleitung. Dies im Hinblick auf die Einhaltung von Gesetzen, Statuten, Reglementen und Weisungen.

• Der VR ist verantwortlich für die Erstellung des Geschäftsberichts sowie die Vorbereitung der Generalversammlung und die Ausführung ihrer Beschlüsse.

• Der VR hat bei Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft den Richter zu benachrichtigen.

In der Praxis kommt dem Gremium zudem häufig eine beratende Funktion zu. Nicht selten sind Geschäftsleitung und Verwaltungsrat eingespielte Sparringspartner.

Wie besetzen Hotelbetriebe in der Praxis dieses wichtige Gremium? Sitzen vor allem Familienmitglieder im Verwaltungsrat oder die Hotelinhaber selbst? Und wie viele Hotel-Verwaltungsrätinnen gibt es? Der Datenlieferant Crif hat der htr hotelrevue die Angaben zu den Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern aller Hotels im Schweizer Handelsregister zur Verfügung gestellt. Die Redaktion hat daraus fünf Kernerkenntnisse gezogen:

Viele Hotels haben sehr kleine VR-Gremien

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Das Gesetz schreibt weder eine Mindestgrösse für das Führungsgremium vor, noch gibt es eine Obergrenze für die Anzahl der VR-Mitglieder. Im Leitfaden des Wirtschaftsverbands Economiesuisse, dem Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance, heisst es dazu: «Der Verwaltungsrat soll so klein sein, dass eine effiziente Willensbildung möglich ist, und so gross, dass seine Mitglieder Erfahrung und Wissen aus verschiedenen Bereichen ins Gremium einbringen und die Funktionen von Leitung und Kontrolle unter sich verteilen können.»

In der Praxis hat sich die Faustregel etabliert: Je grösser und komplexer das Unternehmen, desto mehr Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte hat es. Die Wirtschaftskanzlei Walder Wyss schreibt in einer ausführlichen Broschüre, dass sich daraus häufig Gremien mit drei bis neun Mitgliedern ergäben.

Für eine KMU-dominierte Branche war das zu erwarten
In der Schweizer Hotelbranche sind aber auch kleinere VR-Gremien gang und gäbe. Bei der Mehrheit der Hotel-Aktiengesellschaften, nämlich bei 832, besteht das oberste Führungsgremium gar nur aus einer Person. Aber auch Verwaltungsräte mit nur zwei Personen sind weit verbreitet. Verwaltungsräte mit fünf oder mehr Mitgliedern sind dagegen eher selten anzutreffen. Den mit neun Personen grössten VR der Branche hat übrigens das Campus Sursee Seminarzentrum, das mit 550 Zimmern grösste Seminarhotel der Schweiz.

Wirtschaftsprofessor Christoph Lengwiler leitet an der Hochschule Luzern den Studiengang CAS Verwaltungsrat. Ihn überrascht dieser Befund nicht. «Es ist im KMU-Bereich durchaus üblich, dass Inhaber, Geschäftsführer und Verwaltungsrat ein und dieselbe Person sind. Die Struktur der Hotel-Verwaltungsräte widerspiegelt damit letztlich einfach die Struktur der Branche.» Ein Hotelier, der seinen Betrieb als inhabergeführtes Unternehmen leite, hole sich in der Regel keinen externen Verwaltungsrat an Bord, der ihm reinreden könnte. Als externer Sparringspartner diene im mittelständischen Gewerbe nicht selten der Treuhänder, sagt Lengwiler. Sobald ein Hotel mehrere Aktionäre habe, könne es aber sinnvoll sein, eine unabhängige Person im VR zu haben.

Und was kostet ein unabhängiges VR-Mitglied? Untersuchungen bei KMU mit bis 50 Mitarbeitenden haben ergeben, dass die jährliche Entschädigung eines VR-Mitglieds im Mittel 8000 Franken beträgt. Ob dieses Honorar auch seinen Wert hat, sollte «durch eine jährliche Leistungsbeurteilung hinterfragt werden», rät OBT.

Da nur wenige Hotels externe Verwaltungsräte kennen, haben die meisten Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte auch nur ein Mandat inne. Am meisten Hotel-VR-Mandate vereinigt Unternehmer Rolf Kasper auf sich, der mit seiner Gruppe in die Bereiche Immobilien, Handel und Gastgewerbe investiert. Er ist so an mehreren Hotels beteiligt, wie dem Hotel Schloss Ragaz und dem Hotel Rigi Kaltbad.

Von Vorteil oder verpasste Chance?

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In der Welt der Grosskonzerne ernten CEOs, die gleichzeitig das Verwaltungsratspräsidium übernehmen, regelmässig Kritik: Es fehle eine echte Aufsicht über die Geschäftsleitung, und es mangle an wirklich neuen Ideen. Doch was bei Grosskonzernen verpönt ist, ist in der Welt der KMU alltäglich. Die Inhaberin oder der Inhaber übernimmt hier gerne auch gleich die Geschäftsführung und das Verwaltungsratspräsidium.

In einer KMU-Branche wie der Schweizer Hotellerie erstaunt es darum nicht, wenn Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte auch in der operativen Führung aktiv sind. Von 1000 Betrieben, die in der Analyse genauer unter die Lupe genommen wurden, sind bei 656 ausschliesslich Personen aus dem Verwaltungsrat zeichnungsberechtigt: ein Indiz dafür, dass viele von ihnen nicht nur strategisch, sondern auch operativ führen.

Doppelmandate haben auch Vorteile – oder?
In der Literatur finden sich auch Vorteile von Doppelmandaten: Die Entscheidungswege sind kürzer, wenn jemand Geschäftsleitung und Verwaltungsrat in Personalunion besetzt. Gerade in Krisensituationen kann das hilfreich sein. Zudem entstehen Informationskosten, wenn die Geschäftsleitung den Verwaltungsrat auf dem Laufenden halten muss. Diese entfallen bei Doppelrollen.

Cornelia Ritz Bossicard ist Präsidentin von Swiss VR, einer Vereinigung professioneller Verwaltungsratsmitglieder. Sie wendet dagegen ein, dass jedes Pro-Argument auch als Gegenargument dienen kann: «Wenn Entscheide schnell gefällt werden, steigt auch die Gefahr von Fehlentscheiden.»

Die Rollenverknüpfung sei in Familiengesellschaften zwar häufig anzutreffen. Aber: «Persönlich halte ich sie grundsätzlich für eine verpasste Chance. Denn getrennte Funktionen bieten dem Unternehmen einen grösseren Mehrwert», sagt Ritz Bossicard.

Mehr Zusammenhalt, aber...

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Ein entscheidender Treiber für einen schlagkräftigen Verwaltungsrat sei die Zusammensetzung des Teams, schreibt das Beratungsunternehmen OBT in einem Ratgeber. Gleichzeitig sei eine weit verbreitete Schwäche vieler KMU-Verwaltungsräte, dass bei der Auswahl auf Kriterien wie Bekanntschaft, Sympathie und Verwandtschaft gesetzt werde statt auf Kompetenz.

Reibereien können auf das Unternehmen abfärben
Auch in den Hotel-Verwaltungsräten sitzen oft Personen, die verwandt sind. Zwar weist das Handelsregister keine Verwandtschaftsgrade aus. Doch wenn zwei Personen im Verwaltungsrat die gleiche Wohnadresse und/oder den gleichen Nachnamen haben, kann vermutet werden, dass sie miteinander verwandt sind.

Gleichzeitig muss gesagt sein: Die Zahl der Verwandten, die wegen einer Heirat nicht mehr den gleichen Nachnamen tragen (und deshalb bei dieser Auswertung fälschlicherweise nicht mitgezählt wurden), dürfte vermutlich grösser sein als die Zahl der Personen, die im gleichen Gremium sitzen, den gleichen Nachnamen haben, aber nicht miteinander verwandt sind (und die deshalb bei dieser Auswertung fälschlicherweise mitgezählt wurden). Wenn hier also die Rede davon ist, dass in 597 von 2272 Hotel-Verwaltungsräten mindestens zwei Mitglieder miteinander verwandt sind, dürfte diese Schätzung eher zu tief sein.

Verwaltungsrats-Experte Christoph Lengwiler sieht bei familiengeführten Unternehmen Vor- und Nachteile. Einerseits sei der Zusammenhalt in einer Familie grösser. Andererseits könnten familiäre Reibereien, die nichts mit dem Betrieb zu tun haben müssten, auf das Unternehmen abfärben. Zudem sei es gerade in familiengeführten Hotels üblich, dass die Familienmitglieder im Betrieb mitarbeiteten. Ohne dieses Anpacken sei es häufig schwierig, das Hotel wirtschaftlich zu führen.

Schweizer Hotels verfehlen die bundesrätliche Frauenquote

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«Dem Verwaltungsrat sollen weibliche und männliche Mitglieder angehören», lautet eine der Empfehlungen im Swiss Code of Best Practice for

Corporate Governance, dem etablierten Leitfaden von Economiesuisse. Dabei nennt der Wirtschaftsverband allerdings keine Zielquote. Konkreter wurde der Bundesrat 2020 für die börsenkotierten Schweizer Unternehmen. Seit gut zwei Jahren schreibt er ihnen einen Richtwert von 30 Prozent Frauen im Verwaltungsrat vor.

Diese Quote verfehlen die Schweizer Hotel-Aktiengesellschaften. 1215 Verwaltungsrätinnen und 3444 Verwaltungsräte – ergibt einen Frauenanteil von 26 Prozent. Zum Vergleich: Die im Schweizer Börsenindex SMI gelisteten 20 Grosskonzerne haben letztes Jahr erstmals einen Frauenanteil in ihren Verwaltungsräten von 30 Prozent erreicht. Gemäss Schilling-Report, der seit 17 Jahren die Diversität der Führungsgremien in der Schweiz untersucht, hatten Frauen in den Verwaltungsräten der 92 grössten Arbeitgeber 2022 einen Anteil von 26 Prozent.

Hotels schneiden besser ab als globale Tourismuskonzerne
Verglichen mit anderen Tourismusunternehmen schneiden die Schweizer Hotels gar besser ab. 2021 sorgte eine Studie von World Tourism Forum Lucerne und Aptamind Partners für Furore: Bei den 100 grössten börsenkotierten Unternehmen der globalen Reise- und Tourismusbranche waren nur 24 Prozent der Verwaltungsräte Frauen. Und 8 Prozent der Gremien hatten überhaupt keine Frauen in ihren Reihen.

Auch gegenüber dem Schweizer Durchschnitt von knapp über 20 Prozent sei der Frauenanteil in der Hotellerie höher, führt Cornelia Ritz Bossicard, die Präsidentin der Verwaltungsratsvereinigung Swiss VR, aus. Letztlich gehe es im Verwaltungsrat um Diversität im Allgemeinen. «Diversität betrifft aber nicht nur das Geschlecht, sondern neben verschiedenen Kompetenzen und Erfahrungen auch Faktoren wie Alter, Nationalität, Sprache und so weiter.» Damit Diversität zum Tragen komme, sollte mehr als eine Person im Gremium divers sein, so Ritz Bossicard.

Welche Art von Diversität einem Unternehmen am meisten diene, müsse jedes Unternehmen selbst entscheiden. Das könne von unterschiedlichen Faktoren abhängen, etwa der Strategie oder der Aktionärsstruktur.

Überraschend viele Ausländer

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Bis Ende 2007 musste die Mehrheit der Mitglieder eines Schweizer Verwaltungsrats in der Schweiz wohnhaft sein und das Schweizer Bürgerrecht besitzen. Heute dagegen spielen Nationalität und Wohnsitz der Führungscrew keine Rolle mehr. Einzige Bedingung: Mindestens eine für die Firma unterschriftsberechtigte Person muss in der Schweiz wohnen.

Eine Handvoll Hotels nutzen diese Freiheit aus und haben in ihren Reihen praktisch nur Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte, die im Ausland wohnen. Wenig überraschend sind das Betriebe, die ausländischen Investoren gehören. Insgesamt sind 495 der 4659 Hotel-Verwaltungsrätinnen und -Verwaltungsräte – rund 11 Prozent – im Ausland wohnhaft.

An Know-how aus dem Ausland kommt man auch anders
Im Vergleich dazu die 92 grössten Schweizer Arbeitgeber: Bei diesen (Gross-)Konzernen sind 36 Prozent der VR-Mitglieder Ausländer. Im globalen Vergleich sind die Schweizer Verwaltungsräte aber ausgesprochen international besetzt. Für eine KMU-Branche sei der Anteil von 11 Prozent überraschend hoch, findet Christoph Lengwiler, Leiter des Studiengangs CAS Verwaltungsrat an der Hochschule Luzern. Die meisten Hotels seien ausschliesslich in der Schweiz tätig. Er erklärt sich den vergleichsweise hohen Anteil damit, dass es in der Schweiz recht viele internationale Investoren und Hotelketten gibt.

Wie ein Verwaltungsrat zusammengesetzt sei, hänge wesentlich von der Strategie des Unternehmens ab, sagt Swiss-VR-Präsidentin Cornelia Ritz Bossicard: «Wenn ein Unternehmen beispielsweise im Ausland wachsen will, kann es sinnvoll sein, das entsprechende Know-how ins Gremium zu holen.»

Internationales Wissen kann sich ein Hotel aber auch ohne externe Verwaltungsräte beschaffen – etwa indem es mit Vertriebspartnern vor Ort zusammenarbeitet.