Es begann, wie gute Geschichten oft beginnen: mit einem Zufall. Er führte Regie, als sich die Schweizer Bestseller-Autorin Blanca Imboden und Ernst «Aschi» Wyrsch, Verwaltungsratspräsident des Arosa Kulm Hotel & Alpin Spa, begegneten. Beim Kaffee auf der Terrasse unterhielten sie sich über dieses und jenes, und plötzlich lag dieses Angebot auf dem Tisch: «Blanca, wenn du ein Buch über Arosa schreiben willst, bist du eingeladen, einen Monat im Hotel Kulm zu wohnen.» Blanca Imboden musste es sich nicht zweimal überlegen. Sie wollte.

Seine Einladung sei aus dem Bauch heraus gekommen, erinnert sich Ernst Wyrsch: «Ich bin ein spontaner Mensch, und es fühlte sich richtig an, Blanca Imboden einzuladen. Sie schreibt über Menschen, und ein Hotel ist ein Menschen-Business. Ich dachte mir, dass Leute über das Buch eine Nähe zum Hotel entwickeln könnten. Gedanken an ein kurzfristiges Business standen dabei nicht im Vordergrund.»

«Schönste Ferien» – ein Glückstreffer
Für Blanca Imboden wurden es «die schönsten Ferien meines Lebens»; für Arosa und das Hotel Kulm wurde es ein Glückstreffer. Der Roman «Arosa: Von Bären, Eichhörnchen und Mister 99-Prozent» erschien 2018 und hielt sich monatelang in den vorderen Rängen der Schweizer Belletristik-Bestsellerliste. «Dieses Buch ist für uns mehr als ein ‹Nice to have›», betont Wyrsch. «Es hat zweifelsfrei einige Hundert Übernachtungen eingebracht, die das «Arosa Kulm» sonst nicht generiert hätte. Für ein Hotel wie das unsere ist Storytelling eine zentrale Sache.» Marion Schmitz, stellvertretende Tourismusdirektorin von Arosa Tourismus, bezeichnet die Kombination von Literatur und Tourismus als interessante Symbiose, allerdings dürfe man die Erwartungen punkto Wertschöpfung nicht zu hoch ansetzen: Diese sei nicht vergleichbar mit Events oder neuen Produkten wie zum Beispiel dem Bärenland. Doch das Buch von Blanca Imboden habe viele beachtliche Effekte erzielt: «Es wurde zum Gesprächsthema unter den Hotelgästen und sorgte für eine noch grössere Präsenz in den Medien, unterstützt uns bei der Kundenakquise und erhöht als Geschenk die Affinität zu Arosa.» Und sie erwähnt einen willkommenen Nebeneffekt: «Das ‹Kulm›-Team hat dank Blanca noch mehr über Arosa erfahren.»

Besuch an den Schauplätzen und Kontrolle der Settings
Arosa ist nicht die erste Destination, die als Schauplatz in einem Roman der beliebten Innerschweizer Schriftstellerin an Popularität gewann. «Gipfeltreffen» spielt auf dem Urmiberg, und in «Wandern ist doof» und «Drei Frauen im Schnee» gab Blanca Imboden dem Stoos eine Bühne. Yvan Steiner, damals Marketingleiter bei den Stoosbahnen, erinnert sich lebhaft: «Die Bücher haben dazu beigetragen, dass wir mehr Gäste auf dem Gratwanderweg zwischen Klingenstock und Fronalpstock begrüssen durften. Als Blanca Imboden dann eine Stelle im Seilbahnbetrieb auf dem Stoos annahm, kam es zu vielen Begegnungen mit den Leserinnen und Lesern.»

Auch Blanca Imboden denkt gerne an diese Zeit zurück: «Manche Gäste riefen vorher an und wollten wissen, ob ich Dienst hätte.» Nichts Neues für die Innerschweizerin: «Sehr viele Leute besuchen die Schauplätze meiner Bücher – zum Teil kontrollieren sie auch meine Settings.» Dabei sei es gar nie ihre Motivation gewesen, den Tourismus zu befeuern, bekennt sie: «Ich mag einfach schöne Orte für meine Geschichten, und der Stoos lag quasi vor meiner Haustüre – mit Arosa hingegen betrat ich Neuland.» Worüber sich die Autorin bis heute wundert: «Es gab für meinen Arosa-Roman keinerlei inhaltliche Auflagen.»

Eine blutrünstige Szene; für den Hotelier kein Alarmzeichen
Ähnlich erging es Autor Helmi Sigg. Sein Roman «Echo aus der Vergangenheit», der im Wellness & Spa Pirmin Zurbriggen in Saas Almagell spielt, beginnt nämlich unappetitlich – mit einer blutrünstigen Szene. Sigg lacht. «Ich hatte mit Widerspruch gerechnet, aber Hotelier Fabian Zurbriggen sah dafür keinen Grund.» Zu Recht, wie das Feedback eines Gastes zeigt: «Dieses Buch ist ein wunderbares Geschenk, denn beim Lesen fühlt man sich gleich zurückversetzt in Ihr wunderschönes Hotel. (...) Und da die Geister nie mehr wiederkehren werden, können wir es wagen, uns wieder einmal in Ihrem Hotel verwöhnen zu lassen.»

Anders als Blanca Imboden hat Helmi Sigg den Roman im Auftrag von Fabian Zurbriggen geschrieben – explizit für die Hotelgäste. Für den Walliser Hotelier ist es «das erste, aber sicher nicht das letzte Buch, das wir machen. Es wird von sehr vielen Gästen während des Aufenthalts in einem Zug durchgelesen.» Ein eigenes Buch empfiehlt er allen 4- und 5-Sterne-Häusern: «Ich finde eine persönliche, auf den Ort zugeschnittene Geschichte in einem familiengeführten Hotel sehr wichtig.» Dass jemand nur deswegen bucht, würde er nicht behaupten. Vielmehr sieht er das Buch als eine Aufmerksamkeit unter vielen, als Teil des Gesamtpakets.

«Ich glaube schon, dass Literatur den Tourismus befeuern kann»
Mord und Totschlag in Büchern schrecken Gäste nicht ab: Das zeigt auch der Schauplatz Engelberg-Titlis. Hier spielen gleich mehrere aktuelle Kriminalromane: «Engelberg» von Silvia Götschi (2019), «Die Tote vom Titlis» von Monika Mansour (2019) und «Wölfe – Die Reporterin in Engelberg» von Philipp Probst (2020). «Diese Bücher sind mehr als willkommen», sagt Andres Lietha, Direktor der Engelberg-Titlis Tourismus AG. Zwar kann er die konkrete Wertschöpfung nicht beziffern, aber: «Ich glaube schon, dass Literatur den Tourismus befeuern kann. Sei es, dass die Krimis die Neugier an Engelberg wecken, oder dass Stammgäste ihre Beziehung nochmals intensivieren können.» Events vor Ort rund um die Bücher sind bisher keine angedacht, die «Engelberg»-Lesung mit Silvia Götschi fiel Corona zum Opfer.

Die Autorin siedelt ihre Krimis bevorzugt an Tourismusdestinationen an – neben Engelberg spielen sie unter anderem in Davos, Interlaken oder auf dem Bürgenstock. Das hat mit ihrem persönlichen Hintergrund zu tun: Mehrere Jahre arbeitete sie in der Davoser Hotellerie und Gastronomie an der Réception, sprang bei Bedarf an der Bar, im Service oder in der Küche ein. «Mir ist nichts fremd», sagt sie. «Die Arbeit und der Kontakt mit den Gästen in verschiedenen Sprachen sind mir bis heute in bester Erinnerung geblieben. Deshalb lasse ich die Hotellerie gern in meine Krimis einfliessen – natürlich drängt sich meine Fantasie dabei immer vor.»

Im Gegensatz zu Helmi Sigg, der mit seinen Hotelromanen eine Nische gefunden hat, ist Götschi keine Auftragsschreiberin – selbst wenn die Schriftstellerin ab und an Impulse aus der Hotellerie umsetzt. Wie im Juli 2020, als sie während des Jazz-Festivals «Davos Klosters Sounds Good» Ferien im Hotel Grischa in Davos machte und von Hoteldirektor Cyrill Ackermann auf das 10-Jahre-Jubiläum im 2021 angesprochen wurde: «Plötzlich stand die Idee im Raum, man könnte aufgrund dieser Feier ein Buch schreiben. Am 29. Juni 2021 ist ‹Davosblues› im Emons-Verlag erschienen.»

Auch Blanca Imboden legt ein neues Buch vor: «Rigi: Ein fröhlicher Roman über traurige Menschen» feierte am 16. Oktober Vernissage. Dass er auf der Rigi spielt, ist kein Zufall: Einen Monat hat die Autorin die Königin der Berge hautnah erlebt – auf Einladung der Rigi Bahnen AG.


«Wir wollten Familien und Kinder besser positionieren.»

Nachgefragt bei Peter Schläpfer, Geschäftsführer Bad Zurzach Tourismus.

Papa Moll ist heute untrennbar mit Bad Zurzach verbunden. Wie ist es dazu gekommen?

Wir wollten Familien und Kinder besser positionieren und haben nach einer geeigneten Figur gesucht. Aufgrund der Nähe zur Familie Oppenheim lag Papa Moll auf der Hand, und wir konnten einen Lizenzvertrag abschliessen. Das Buch «Papa Moll geht baden» ist jedoch nur ein Teil des Angebots rund um Papa Moll. [IMG 2]

Was hat Papa Moll konkret bewirkt?

Der Familienanteil konnte im Thermalbad, in der Hotellerie und bei den übrigen Angeboten markant gesteigert werden. Da hilft natürlich eine so bekannte Figur wie Papa Moll sehr. Bei Papa Moll ist interessant, dass er bei Jung und Alt bekannt und auch beliebt ist. Wie viel das Buch dazu beigetragen hat, lässt sich so nicht ermitteln. Nicht zu vergessen ist der Kinofilm, der ebenfalls in Bad Zurzach gedreht wurde.

Welche Produkte stehen ganz oben auf der Hitliste?

Sehr beliebt und ein eigentlicher «Renner» in der Corona-Zeit ist der Papa-Moll-Rätselweg. Die Rückmeldungen sind meist sehr positiv.


Langzeit-Monitoring: Der «Schellen-Ursli»-Film und seine Folgen

In Zahlen lässt sich die Wertschöpfung eines Buchs oder Films selten exakt ausdrücken. Anders im Fall von «Schellen-Ursli» (Kinostart Oktober 2015): Hier gibt ein Langzeit-Monitoring Aufschluss über die direkten Auswirkungen des mit 450 000 Kinoeintritten erfolgreichsten Schweizer Films 2015 auf die Destination Scuol - Samnaun - Val Müstair. In Auftrag gegeben wurde die Studie (2015 bis 2018) vom Amt für Wirtschaft Graubünden.

→ Allein der Dreh und die Produktion des Films haben in den Jahren 2013 bis 2015 im Kanton Graubünden eine Bruttowertschöpfung von 1,2 Millionen Schweizer Franken generiert, davon circa 70 Prozent in der Region Scuol - Samnaun - Val Müstair.

→ 5800 zusätzliche Logiernächte wurden durch die Filmcrew im Herbst und Winter 2014 ausgelöst.

→ 443 Medienartikel berichteten 2015 über den Film «Schellen-Ursli», insgesamt in einer Gesamtauflage von 14,2 Millionen. (2016: 3,1 Millionen, 2017: 3,0)

→ Web-Besucherzahlen von Tourismus Engadin Scuol Samnaun Val Müstair: über 15 000 Seitenaufrufe pro Jahr (2015 bis 2017).

→ Die spontane Assoziationsrate zwischen dem Schellen-Ursli und der Region konnte von 60 (2015) auf 93 Prozent (2018) gesteigert werden; die Verknüpfung zwischen Guarda und dem Schellen-Ursli von 59 auf 93 Prozent.

→ 2016 gaben Gäste (5 Prozent) erstmals an, dass der Schellen-Ursli die Wahl des Reiseziels beeinflusst hat.

→ Circa ein Viertel der regionalen touristischen Betriebe verwendet die Figur in unterschiedlicher Form (2015), 2016 waren es knapp 30 Prozent. Fast die Hälfte der Betriebe schätzt das Thema Schellen-Ursli für die ganze Region als relevant ein.

→ Ein Fünftel der touristischen Unternehmen gibt an, vom Dreh des Films profitiert zu haben, das Filmprojekt wird von über 80 Prozent positiv bewertet.

→ 2016 hatte etwa ein Viertel der Übernachtungsgäste in der Region den Film gesehen, 2018 waren es 46 Prozent.

Franziska Hidber