Das Hotel- und Gastgewerbe bewegt sich in einem Umfeld, das sich schneller dreht als je zuvor: digitale Tools halten Einzug in den Alltag, der Arbeitsmarkt wird älter, und junge Menschen bringen andere Vorstellungen von Lernen, Arbeiten und Lebensbalance mit. «GGBB 2030» setzt genau hier an. Das Vorhaben nimmt sämtliche Berufsbilder und Strukturen der Grundbildung unter die Lupe und richtet sie auf die 2030er-Jahre aus. 

Damit das gelingt, braucht es viele Stimmen: Lernende und Eltern ebenso wie Betriebe – mit oder ohne Nachwuchs in Ausbildung. Wer an der nationalen Umfrage teilnimmt, liefert praxisnahe Hinweise für eine starke, zukunftstaugliche Berufsbildung im Gastgewerbe. Der Fragebogen kann bis Jahresende ausgefüllt und gerne im eigenen Netzwerk weiterverbreitet werden.

Kastriot Komani, warum braucht es gerade jetzt eine nationale Umfrage zur Berufsbildung im Gastgewerbe?
Unsere Branche wandelt sich dynamisch und steht an einem Wendepunkt: Digitalisierung, neue Gästeerwartungen und der gesellschaftliche Wertewandel eröffnen Chancen, gleichzeitig spüren wir den Druck des Fachkräftemangels. Um diese Entwicklungen aktiv zu gestalten, brauchen wir eine fundierte Datenbasis. Die Umfrage liefert uns erstmals ein umfassendes Bild über die Attraktivität unserer Berufe, die geforderten Kompetenzen der Zukunft und die zentralen Herausforderungen. Auf dieser Grundlage können wir gemeinsam mit Betrieben, Lernenden und Bildungspartnern wirksame Lösungen entwickeln – damit das Gastgewerbe auch morgen ein attraktiver Arbeitgeber und ein wichtiger Pfeiler der Schweizer Wirtschaft bleibt.

Welche Entwicklungen wirken sich am stärksten auf die Berufsbilder aus?
Es ist ein Zusammenspiel mehrerer Trends. Die Digitalisierung verändert Prozesse von der Bestellung bis zur Einsatzplanung. Junge Menschen erwarten Sinn, Teamkultur und Work-Life-Balance – der Wertewandel prägt die Berufswahl stark. Gleichzeitig wird Nachhaltigkeit zu einem entscheidenden Faktor. Und nicht zuletzt verändert das Konsumverhalten der Gäste die Branche: Individualität, Qualität und Authentizität stehen hoch im Kurs – verbunden mit Erwartungen an Tempo und Flexibilität.

Was wollen Sie mit der Umfrage herausfinden, das bisher zu wenig beleuchtet wurde?
Wir wollen den Blick weiten. Uns interessiert nicht nur, wie Betriebe und Lernende die Ausbildung heute erleben, sondern auch, welche neuen Einflussfaktoren wirken. Welche Rolle spielen Social Media, Influencer oder Konsumtrends bei der Berufswahl? Und warum entscheiden sich Betriebe gegen das Ausbilden? Wenn wir verstehen, was bisher unterschätzt wurde, können wir die Ausbildung so gestalten, dass sie zukunftsfähig bleibt.

Wie wichtig ist es, dass sich auch Betriebe ohne Lernende beteiligen?
Um ein vollständiges Bild der aktuellen Ausbildungssituation zu erhalten, ist es unerlässlich, nicht nur die Perspektiven ausbildender Betriebe zu berücksichtigen. Gerade die Rückmeldungen von Unternehmen, die aktuell keine Lernenden beschäftigen, liefern wertvolle Hinweise auf bestehende Herausforderungen – sei es in finanzieller Hinsicht, in Bezug auf administrative Hürden oder im Alltag der Ausbildungsbegleitung. Nur wenn auch ihre Erfahrungen und Bedürfnisse systematisch erfasst werden, können die Rahmenbedingungen gesamtheitlich verbessert werden. Ziel ist es, Hindernisse abzubauen und dadurch mehr Betriebe zu ermutigen, sich (wieder) in der Berufsbildung zu engagieren.

Uns interessiert nicht nur, wie Betriebe und Lernende die Ausbildung heute erleben, sondern auch, welche neuen Einflussfaktoren wirken.

Welche Erwartungen knüpfen Sie an die Ergebnisse?
Wir wollen ein klares Bild, wohin die Reise gehen muss. Spätestens Ende 2028 soll entschieden sein, ob eine Gesamtrevision notwendig ist und wie sie ausgestaltet werden muss. Gleichzeitig erwarten wir konkrete Hinweise, wie wir das Berufsmarketing verbessern und die Attraktivität der Berufe nachhaltig steigern können.

Wie können Ausbildungsinhalte so gestaltet werden, dass sie den Bedürfnissen der Betriebe entsprechen?
Indem wir die Praxis von Anfang an einbeziehen. Die Betriebe wissen, welche Kompetenzen ihre Mitarbeitenden brauchen. Unsere Aufgabe ist es, diese Anforderungen in Ausbildungspläne zu übersetzen und gleichzeitig die bildungspolitischen Vorgaben einzuhalten. Es geht um eine Balance zwischen schulischer Bildung und betrieblicher Realität.

Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit zwischen Berufsschulen, Betrieben und Verbänden?
Die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen in der Berufsbildung können nur gemeinsam bewältigt werden – kein Akteur kann sie im Alleingang lösen. Deshalb ist eine enge und partnerschaftliche Zusammenarbeit zentral: HotellerieSuisse, Gastrosuisse, die Hotel & Gastro Union, die regionalen Organisationen von Hotel & Gastro formation sowie die Berufsfachschulen aus allen Sprachregionen müssen gemeinsam an einem Strang ziehen.

Ein zentraler Erfolgsfaktor liegt zudem in der engen Verzahnung von Theorie und Praxis. Die Berufsfachschulen sind gefordert, den schulischen Unterricht noch stärker mit der betrieblichen Realität zu verbinden. Gleichzeitig sollen die Betriebe den Lernenden mehr Verantwortung übertragen und sie aktiv in den Arbeitsalltag einbinden. Die Verbände übernehmen die wichtige Rolle, Interessen zu bündeln, Synergien zu nutzen und die Koordination sicherzustellen. So entsteht ein gemeinsames Zukunftswerk, das auf einer starken Partnerschaft aller Beteiligten beruht.

Wo sehen Sie die grössten Chancen, junge Talente langfristig zu begeistern?
Wir können zeigen, was unsere Branche einzigartig macht: Teamspirit, Internationalität, Kreativität und die Möglichkeit, Menschen täglich glücklich zu machen. Gleichzeitig nehmen wir die Erwartungen ernst – etwa nach planbaren Arbeitszeiten, Weiterbildung und Vereinbarkeit mit Familie und Freizeit. Wenn wir beides verbinden – Authentizität und Verbesserungen – haben wir grosse Chancen, junge Menschen zu gewinnen und langfristig zu halten.

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Gibt es Unterschiede zwischen den Sprachregionen oder Kantonen, die sich bereits abzeichnen?
Ja, und gerade das macht die Umfrage wertvoll. In der Deutschschweiz ist die Beteiligung sehr hoch, in der Romandie braucht es mehr Überzeugungsarbeit, und im Tessin erleben wir einen sehr koordinierten Ansatz. Diese Unterschiede sind keine Schwäche, sondern eine Chance: Sie zeigen, dass es differenzierte Lösungen braucht – keine Einheitsrezepte.

Wie wichtig sind Eltern und Lehrpersonen im Berufswahlprozess?
Eltern und Lehrpersonen gehören – neben dem Freundeskreis – zu den wichtigsten Bezugspersonen für Jugendliche bei der Berufswahl. Ihre Einschätzungen und Empfehlungen haben grossen Einfluss auf die Entscheidungsfindung. Deshalb ist es entscheidend, auch ihre Perspektiven systematisch zu erfassen.

Nur wenn wir verstehen, welche Vorstellungen sie von bestimmten Berufen haben, können wir gezielt informieren, Missverständnisse ausräumen und ein realistisches Berufsbild vermitteln. So tragen sie aktiv dazu bei, Jugendlichen eine fundierte und zukunftsorientierte Berufswahl zu ermöglichen. 

Viele Jugendliche legen Wert auf Work-Life-Balance. Wie reagiert die Branche darauf?
Wir müssen hier ehrlich sein: Es gibt Berufe mit unregelmässigen Arbeitszeiten. Aber wir sehen viele Betriebe, die neue Modelle entwickeln – geregelte Arbeitspläne, mehr Teilzeitoptionen, Weiterbildung und klare Karrierepfade. Wir nehmen die Erwartungen ernst und wollen diese Beispiele sichtbar machen und fördern.

Unterschiede sind keine Schwäche, sondern eine Chance: Sie zeigen, dass es differenzierte Lösungen braucht – keine Einheitsrezepte.

Wie gelingt es, die vielen Akteure im Projekt einzubinden?
Durch Partizipation von Anfang an. Alle relevanten Verbände, Berufsschulen und Betriebe sind eingebunden, die Begleitgruppe bringt regionale und fachliche Perspektiven ein. Wir ziehen alle am gleichen Strick – denn nur gemeinsam können wir die Berufsbildung fit für die Zukunft machen.

Wann können erste Ergebnisse erwartet werden?
Die Befragungen laufen noch bis Ende 2025. Erste Auswertungen werden im Frühjahr 2026 vorgestellt. Die vollständigen Ergebnisse sowie konkrete Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Berufsbildung im Gastgewerbe folgen im Laufe desselben Jahres. Ziel ist es, bis spätestens 2027 fundierte Entscheidungen über die künftige Ausrichtung der Berufsbildung in der Branche zu treffen.

Über das Projekt Gastgewerbliche Berufsbildung 2030
Ziel des Projekts Gastgewerbliche Berufsbildung 2030 (GGBB 2030) ist es, die berufliche Grundbildung umfassend zu analysieren und zukunftsfähig zu gestalten – mit Blick auf alle Berufsbilder, Strukturen und Erwartungen im Berufsfeld.

Eine schweizweite Umfrage soll Themen wie die Attraktivität der Branche, Ausbildungsstrukturen, Anforderungen an neue Berufsbilder und externe Einflussfaktoren beleuchten. Um ein möglichst umfassendes Bild zu erhalten, braucht es verschiedene Perspektiven. Lernende, Ausbildungsverantwortliche, Berufsleute, Führungskräfte oder Brancheninteressierte sind eingeladene, bei der Umfrage mitzumachen.

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