Pro: «Wieso wagen wir nicht den ersten Schritt?»

[IMG 2]Teilzeitarbeit hat in den letzten Jahren an Attraktivität gewonnen: Nicht erst seit der Covid-Pandemie oder seit der intensiveren Diskussion über das Rollenverständnis von Mann und Frau. Ganz allgemein verlangen die jüngeren Generationen nach einer besseren Work-Life-Balance. Sie kämpfen somit gegen die 50-Stunden-Woche, die in der Gastronomie, besonders auch in der Küche, oft an der Tagesordnung ist.

In vielen Bereichen inner- und ausserhalb der Gastronomie und der Hotellerie arbeiten Führungspersönlichkeiten in Teilzeitmodellen oder im Jobsharing – beispielsweise als Direktionspaar. Weshalb also nicht auch in der Küche? Die Küche unterscheidet sich kaum von anderen relevanten Abteilungen in einer Unternehmung. Sie muss zu jeder Zeit voll funktionsfähig sein und die Dienstleistung erbringen, die vom Gast erwartet wird.

Das Erlebnis für den Gast muss stimmen. Egal, wer in der Küche das Sagen hat.

Philipp Albrecht, Direktor Park Hotel Winterthur

In der Küche könnte ein Teilzeitmodell neue Türen öffnen und die Abwanderung von Fachkräften minimieren. Ein Lösungsansatz, welcher Familie und Beruf besser verbinden lässt? «New-Work-Möglichkeiten» wie Jobsharing, Teilzeit oder 4-Tage-Woche bieten hier Hand, damit auch ein Küchenchef oder eine Küchenchefin nicht auf Familie und Erziehung verzichten muss.

Egal welches Modell, entscheidend sind folgende Dinge: Das Führungsteam muss ein gemeinsames Verständnis von Zielen und Führung haben. Die Aufgaben müssen klar verteilt sein, und die Kommunikation untereinander ist essenziell. Vor allem der dritte Punkt dürfte viele von einem Versuch abhalten. Denn genau in der Kommunikation liegt die grösste Herausforderung.

Spannend, dass alle in der Führung von «Verantwortung delegieren», «Mitarbeitende mitentscheiden lassen» sowie «flachen Strukturen» sprechen. Wenn es aber um das Umsetzen geht, muss der Küchenchef doch 24 Stunden x 7 Tage vor Ort sein, damit die Qualität stimmt. Wieso wagen wir nicht den ersten Schritt? Wenn es der Führung gelingt, ein gleiches Werte- und Führungsverständnis zu praktizieren, so kann man gleichbleibende Qualität auch mit Teilzeit garantieren.

Wichtig erscheint mir bei diesem Thema, dass am Ende der Gast glücklich ist. Diesen interessiert es nicht, wie viele Prozente die Küchenchefin arbeitet oder ob sie ihre Verantwortlichkeit teilt. Das Erlebnis muss stimmen, und die Qualität muss konstant sein. Egal, wer in der Küche das Sagen hat.


Contra: «Leadership kann nicht abdelegiert werden.»

[IMG 3] Die Frage, inwiefern sich ein Hotel mit Gastronomiebetrieb darauf einlassen kann, einen Küchenchef in Teilzeit zu beschäftigen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Einerseits gilt es den Umfang des gastronomischen Angebots und den dafür zeitlich zu bewältigenden Aufwand zu berücksichtigen, andererseits die Öffnungszeiten, die Anzahl Sitzplätze sowie die personelle Struktur innerhalb einer Brigade zu beachten. Auch der Aspekt der betrieblichen Saisonalität dürfte hierbei nicht unwesentlich sein.

Geht man davon aus, dass ein Pensum unter 90 Prozent einer Teilzeitarbeit entspricht, käme dies auf Basis einer regulären 45-Stunden-Woche (= 100 %) einem Beschäftigungsgrad von rund 38,25 Stunden gleich. Dies entspricht bei einer 5-Tage-Woche rund 7 Std. 45 Min. pro Tag.

Gleichzeitig dürfte aber ein 90-Prozent-Pensum wohl kaum dem Anspruch einer Küchenchefin entsprechen, die in Teilzeit arbeiten möchte. Vielmehr geht es ihr wohl darum, sich mindestens einen zusätzlichen Tag gegenüber der Norm zu gönnen, um sich Dingen ausserhalb des Berufsalltags zu widmen – sei es Familie, Weiterbildung oder Freizeit. So gesehen sprechen wir von maximal einer 4-Tage-Woche, was bedeuten würde, dass 3 Tage pro Woche die Verantwortung einer kompetenten Stellvertretung übertragen werden muss. Und dies mit aller Konsequenz für die eigene Entlöhnung.

Der Aufgabenkreis dürfte nur schwerlich innert 4 Tagen machbar sein.

Jan E. Brucker, Geschäftsführer Swiss Deluxe Hotels

Zieht man hierbei in Betracht, dass Angebots- und Einsatzplanung, Einkauf, aber auch Personalrekrutierung, Schulung, Hygienekontrollen, monatliche Inventur und vor allem das Gewähren eines reibungslosen und qualitativ einwandfreien Betriebsablaufs etc. grundsätzlich dem verantwortlichen Küchenchef obliegt, so dürfte dieser Aufgabenkreis nur schwerlich innerhalb von 4 Tagen zu bewerkstelligen sein. Klar können diverse dieser genannten Aufgaben von gewissen Teammitgliedern übernommen werden, vorausgesetzt, sie bringen die qualitativen Voraussetzungen mit. Aber eines steht meines Erachtens fest: «Leadership» kann nicht abdelegiert werden!

Fazit: Ein passionierter Vollprofi als Küchenchef weiss zum Glück seine Prioritäten richtig zu setzen.