Eines ist klar: Das zu Ende gehende Jahr wird in Bezug auf die Konjunkturentwicklung wohl das schwächste Jahr seit Mitte der 70er sein. Damals führte der Öl-Schock zu einer schweren Rezession und das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) brach 1975 gegenüber dem Vorjahr um 6,7 Prozent ein.

Noch Mitte Jahr wurden ähnlich scharfe Einbrüche für das Gesamtjahr 2020 prognostiziert. Ganz so schlimm wie vor 45 Jahren soll es nun aber doch nicht kommen: Die meisten Auguren erwarten inzwischen noch einen Rückgang von rund 3 bis 3,5 Prozent.

Zwar ging es im zweiten Quartal, in das der Lockdown zu einem grossen Teil fiel, um 7,0 Prozent nach unten, doch dann führte die schnelle Wiederöffnung der Wirtschaft im Sommer zu einer Erholung in der gleichen Grössenordnung mit einem BIP-Wachstum von 7,2 Prozent in der Periode von Juli bis September.

Nun hat die zweite Welle zwar zu neuen Beschränkungen in der Wirtschaft geführt; diese haben gemäss den bekannten Kurzfrist-Indikatoren bisher allerdings das BIP nicht in gleichem Ausmass gebremst wie im Frühling.

Über dem langjährigen Mittelwert
Wie stark die verschiedenen neuen Impfstoffe, aber auch die jüngste Mutation des Virus die Erholung beeinflussen werden, muss sich zeigen. Aktuell gehen Ökonomen in ihren Basisszenarien von einem BIP-Wachstum von etwa 2,5 bis 3,5 Prozent aus, womit es deutlich über dem langjährigen Mittelwert ausfiele. Letztmals gab es 2018 ein BIP-Wachstum von 3,0 Prozent, davor waren 2010 (+3,1%) sowie 2006 und 2007 (je +4,1%) wachstumsstarke Jahre.

Sollte sich die Konjunktur gemäss diesen Erwartungen entwickeln, wäre das – aufs Jahr gesehen – die berühmte V-förmige Erholung. Und mit diesem Aufschwung würde das BIP dann Ende 2021 in etwa wieder den Stand von Ende 2019 erreichen. Das tönt allerdings wohl besser als es ist: es bedeutet nämlich, dass die Schweizer Wirtschaft per Saldo zwei Jahre in Folge mehr oder weniger stagniert hätte.

Die Prognosen der Ökonomen beruhen zumeist auf der Annahme, dass sich die epidemiologische Lage im Laufe des nächsten Jahres stabilisiert. Dann etwa wäre vorübergehend ein überdurchschnittliches BIP-Wachstum zu erwarten, meinten die Ökonomen des Bundes in ihrer neuesten Prognose: Aufgeschobene Konsumausgaben und Investitionen dürften dann teilweise nachgeholt werden, und im Zuge der weltwirtschaftlichen Erholung sollten insbesondere die Warenexporte spürbar anziehen, hiess es dort.

Grosse Fragezeichen
Allerdings setzen viele Ökonomen auch Fragezeichen und betonen die aktuell hohen Risiken – in beide Richtungen. Die jüngsten Einschränkungen und möglicherweise ein Lockdown in ähnlichem Ausmass wie im Frühling könnten zumindest vorübergehend nochmals einen scharfen Einschnitt verursachen.

Die Ökonomen der KOF beispielsweise haben explizit ein negatives Szenario berechnet, in welchem die Wirtschaft nächstes Jahr lediglich 0,6 Prozent wachsen würde. In diesem Fall würde die Pandemie zu Beginn des nächsten Jahres weiter an Kraft gewinnen und es würden noch drastischere Schutzmassnahmen nötig werden.

Umgekehrt könnte ein schneller Impferfolg mit vielen geimpften Personen oder ein plötzliches Verschwinden der Pandemie aber auch eine schnellere Erholung bedeuten. Übertriebener Optimismus ist aber wohl so oder so nicht angebracht. So seien etwa die Unterschiede innerhalb der Wirtschaft und selbst innerhalb einzelner Branchen enorm – mit Gewinnern, aber auch mit grossen Verlierern, meinten etwa die Ökonomen der Credit Suisse.

Beschränkte Erholung im 2021 für Tourismusbranche
Die Pharmaindustrie etwa hat sich während der Corona-Pandemie hervorragend entwickelt, während andere Export-Branchen wie die Maschinen- oder die Uhrenindustrie unter den Einschränkungen in der Lieferkette oder der Reisetätigkeit vor allem im Frühling stark gelitten haben.

Aber auch die für die Binnenwirtschaft wichtige Gastro- und Event-Branche oder der Tourismus mussten unten durch und dürften sich auch im kommenden Jahr – je nach Pandemieverlauf – nur beschränkt erholen. Ein deutlicher Anstieg der Konkurse in den nächsten Monaten ist jedenfalls nicht auszuschliessen.

Der Verlauf der Pandemie wird sich entsprechend auch auf den Arbeitsmarkt auswirken. Zwar ist die Arbeitslosenquote wegen der ausgeweiteten Möglichkeiten für Kurzarbeit bisher nicht allzu stark gestiegen. Aktuell sind gar nach wie vor deutlich mehr Arbeitnehmer in Kurzarbeit als etwa zum Höhepunkt der Finanzkrise 2008/09.

Trotzdem dürfte die Quote in den nächsten Monaten zulegen. Gemäss den Prognosen des Seco sollte die Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt 2021 bei 3,3 Prozent zu liegen kommen. Damit käme die Schweiz im internationalen Vergleich noch immer einigermassen gut davon. (awp/sda)

AWP: Ausblick Konjunktur 2021

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