Der weltweite Tourismus wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Das gilt auch für die Schweiz. Insbesondere die Nachfrage aus fernen Märkten dürfte hoch bleiben, sagte dazu Adrian Müller, Tourismusforscher an der Universität Bern. Der Inland-Tourismus, also das Geschäft mit Schweizer Gästen, sei zwar nach wie vor stark, könnte aber leicht zurückgehen.
«In wirtschaftlicher Hinsicht könnte sich die Wertschöpfung stärker auf die grossen Reiseziele konzentrieren, was kleine Regionen unter Druck setzen wird», so Müller. Gerade in dieser Situation kommt laut dem Experten der Lebensqualität der einheimischen Bevölkerung und der Akzeptanz des Tourismus vor Ort besondere Bedeutung zu. Sie seien zentral für jede nachhaltige Tourismusstrategie.
Einige europäische Städte zeigen gemäss dem Forscher bereits heute, wie es gehen könnte: So entwickelten etwa Kopenhagen oder Wien integrierte Ansätze, um sowohl die Bedürfnisse von Touristen als auch jene der einheimischen Bevölkerung zu berücksichtigen. Gerade Österreich werte dazu laufend gezielt Daten aus.
Überfüllte Busse und steigende Mieten
Wie viele andere Länder sei auch die Schweiz vom Übertourismus punktuell betroffen, bestätigt Adrian Müller, Tourismusforscher an der Universität Bern. Allerdings handle es sich in der Schweiz nicht um ein permanentes, generelles Problem.
Müller schränkt ein, beim Übertourismus gehe es um die subjektive Wahrnehmung. Wenn der Alltag eingeschränkt sei, könne ein Ort auch dann als überlaufen empfunden werden, wenn sich die Auslastung insgesamt in Grenzen halte.
Übertourismus zeitigt dabei ganz konkrete Folgen. Die Forschung unterscheidet zwischen direkten Auswirkungen wie Staus, Warteschlangen und überfüllten Bussen oder Bahnen einerseits und diffuseren Auswirkungen wie Lärm oder Abfall.
«Die indirekten Folgen können auch sozialer und wirtschaftlicher Natur sein», hält Müller fest: steigende Mieten, die Zunahme von Kurzzeitvermietungen, das Verschwinden der lokalen Infrastruktur zugunsten von Touristenlokalen. «Diese Dynamiken können der soziale Durchmischung in bestimmten Quartieren schaden», sagt er.
Uneinheitliches Bild
Eine landesweite Strategie zum Kampf gegen den Übertourismus gibt es in der Schweiz bislang nicht. Auch auf Bundesebene habe man die Herausforderung jedoch erkannt, so Müller. Bei der nächsten Revision der nationalen Tourismusstrategie werde man das Problem prioritär behandeln.
Einige Regionen haben bereits die Initiative ergriffen und lokal Massnahmen eingeführt: Zugangsbeschränkungen, Eintrittspreise, Kommunikationskampagnen oder sogar Ranger. «Sich allein auf Kommunikation oder Sensibilisierung zu verlassen, wird langfristig nicht ausreichen», meint auch Müller.
Räumliche und zeitliche Verteilung
Schweiz Tourismus setzt darauf, die Besucherströme zeitlich und räumlich besser zu verteilen. Die Organisation bewirbt deshalb auch Reiseziele abseits der klassischen Routen. Entsprechend rückt die Organisation mit der Kampagne «Verliebt in schöne Orte» bewusst weniger stark besuchte Orte wie die Berner Stadt Burgdorf, das aargauische Bremgarten oder Auvernier im Kanton Neuenburg in den Fokus.
Müller sieht eine mögliche Lösung darin, eher auf qualitatives statt quantitatives Wachstum zu setzen. Ziel müsse dabei sein, einen höheren Mehrwert pro Aufenthalt zu erreichen, statt die Zahl der Besucher zu steigern. Geschehen könnte dies gemäss dem Tourismusforscher beispielsweise durch längere Aufenthalte und den vermehrten Konsum regionaler Produkte. (keystone-sda)