Was wären Hotellerie und Gastronomie ohne die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus aller Welt? Menschen mit Migrationshintergrund bilden das Rückgrat des Schweizer Tourismus. Die Beherbergungs- und die Gastronomiebranche widerspiegeln das Gesellschaftsbild und den Kulturwandel wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig. Der Ausländeranteil aller Beschäftigten im Gastgewerbe betrug 2020 um die 46 Prozent.

Daraus ergibt sich mit Blick auf den aktuellen Fachkräftemangel und die Flüchtlingskrise eine einmalige Chance für Arbeitgeber und Arbeitnehmer; vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen stimmen.

Chancen nutzen, Vorbehalte überall abbauen
Vielerorts bleibt man skeptisch: Während Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger aller Altersklassen bereits heute eine beliebte Rekrutierungsquelle sind, werden die Potenziale von Arbeitslosen, von Geflüchteten oder von Menschen mit Handicap noch immer zurückhaltend beurteilt.

Zu diesem Schluss kommt der Analysereport «Der Wettbewerb um Fachkräfte in der Beherbergung: Wie ist die Situation?» von Ecoplan im Auftrag von HotellerieSuisse. Entsprechend will man verbandsintern gemeinsam mit den Sozialpartnern weiterhin Programme zur Integration von arbeitslosen, anerkannten Geflüchteten oder Menschen mit Handicap fördern.

Eine Bedingung dafür ist, dass die Arbeitgeber Vorbehalte gegenüber der Arbeitsmarktfähigkeit dieser Gruppen überwinden, ihnen Chancen geben und sie aktiv bei der Integration unterstützen.

Best-Practice-Beispiele liefern immer wieder Zwischenerfolge. So auch dank der Riesco-Integrationsvorlehre von Hotel & Gastro Formation Schweiz. Seit 15 Jahren ist es das Ziel dieser Basisqualifikation, auch geflüchteten und vorläufig aufgenommenen Personen den Eintritt in den ersten Arbeitsmarkt oder eine berufliche Grundausbildung zu ermöglichen. Nach erfolgreicher Ausbildung erhalten die Teilnehmenden ein gesamtschweizerisch anerkanntes Zertifikat von Hotel & Gastro Formation Schweiz.[DOSSIER]

Gäste in der Pflicht
Max Züst, Direktor von Hotel & Gastro Formation Schweiz, registriert branchenintern kaum Vorbehalte, Riesco-Abgänger anzustellen. «Wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Praktika reüssieren, sind die Arbeitgeber grundsätzlich offen.» Auch bürokratische Hürden gebe es erfreulicherweise immer weniger.

Vielmehr sieht Züst auch die Bevölkerung und damit die Gäste in der Pflicht, Bedenken und Misstrauen gegenüber Angestellten mit Migrationshintergrund abzubauen. «Die Diskussion um Integration im Gastgewerbe ist eine gesamtgesellschaftliche und nicht nur branchenspezifisch.»

Bekanntes und Fremdes unter einem Dach zu beherbergen, ist eine der wichtigsten Aufgaben des Gastgewerbes.

Hugo Köppel, Präsident Trägerverein Schulrestaurant La Cultina, Bern

Bereicherung für Branche und Gesellschaft
Auch das Schulrestaurant La Cultina in Bern öffnet Menschen mit Migrationshintergrund seine Türen. Seit über 20 Jahren bietet es Fachkurse im Gastronomiebereich für im Kanton Bern wohnhafte vorläufig aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge an.

Über die Jahre absolvierten um die 750 Menschen aus der ganzen Welt den Fachkurs Gastgewerbe im «La Cultina». Rund 70 Prozent blieben auf ihrem weiteren Berufsweg der Branche treu und arbeiten heute in rund 160 Betrieben.

Fit für Fachkräfte
Der Fachkräftemangel in der Gastro- und Beherbergungsbranche hat sich während der Pandemie akut verschärft. In einer losen Artikelserie beleuchtet die htr hotelrevue das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven und zeigt verschiedene Ansätze auf, wie die Branche das Problem angeht. Ganz nach dem Motto: Fit für Fachkräfte.

«Integration und Gastgewerbe sind untrennbar. Bekanntes und Fremdes unter einem Dach zu beherbergen, ist eine der wichtigsten Aufgaben des Gastgewerbes», sagt Hugo Köppel, Präsident des Trägervereins Schulrestaurant La Cultina.

Er stellt die soziale Verantwortung des Gastgewerbes in den Vordergrund. Die Ausbildung ist das eine, die Möglichkeit, täglich in Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung zu treten, das andere. «Wie systemrelevant die Gastronomie ist, zeigte nicht zuletzt die Pandemie», sagt Köppel.

Nicht nur das Gastgewerbe profitiere von der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, sagt Köppel: «Sie alle tragen dazu bei, dass nicht nur unser kulinarischer Alltag interessant und bereichernd erlebt wird, sondern auch das Leben in unserer Gesellschaft.»


Nachgefragt

Woher kommen Sie ursprünglich und weshalb sind Sie in der Schweiz?
Ich stamme aus Afghanistan. 2008 bin ich aus meiner Heimat geflüchtet. Grund waren der Krieg und die politische Situation. [IMG 2]

Haben Sie in Afghanistan eine Ausbildung gemacht?
2010 habe ich den Fachkurs Gastgewerbe im «La Cultina» gemacht. Davor hatte ich keine Gelegenheit, eine Ausbildung zu machen.

Was hat Ihnen Ihre Ausbildung im Gastgewerbe gebracht?
Der Fachkurs hat meine Deutschkenntnisse und mein Wissen in der Küche und im Service erweitert. Ich habe festgestellt, dass ich den Kontakt mit Menschen aus aller Welt mag, und habe so meinen Beruf in der Gastronomie gefunden.

Wie kann Integration im Gastgewerbe in der Schweiz gefördert werden, von Arbeitgebern und Gästen?
Mit Toleranz und Akzeptanz gegenüber fremdländischen Menschen und Flüchtlingen. Aber auch mit Geduld, wenn nicht alles auf Anhieb klappt. Ich wünsche mir mehr Vertrauen in fremde Kulturen. Auch ein freundliches Gegenüber wäre wünschenswert.

Wie sehen Ihre weiteren beruflichen Pläne aus?
Ich will mein Wissen in der Gastronomie vertiefen und mich weiterbilden.