Viel Arbeit. Das Präsidium eines grossen Verbandes ist meist kein Zuckerschlecken und mit hohen Anforderungen verbunden: Gegen innen soll das Präsidium den Verband einen, Konflikte lösen und die Weiterentwicklung vorantreiben. Gegen aussen ist sie oder er das Gesicht des Verbandes, repräsentiert Tag und Nacht, steht vor die Kamera und lobbyiert bei Politik und anderen Verbänden für die eigenen Anliegen. Die eierlegende Wollmilchsau ist gefragt, lässt sich aber kaum je finden.

Wer tut sich das an?
Kein Wunder also, dass viele Verbände Mühe bekunden, ihre Präsidien zu besetzen. Oftmals sind viele Gespräche notwendig, bis sich überhaupt nur eine Person finden lässt. Der Generalversammlung bleibt dann meist nur noch, die Person per Akklamation zu wählen, eine Auswahl gibt es äusserst selten.

Doch wie bei politischen Ämtern wäre es auch bei Spitzenpositionen in Verbänden wünschenswert, wenn aus verschiedenen Profilen ausgewählt werden könnte. Umso erfreulicher, dass HotellerieSuisse gleich aus drei sehr unterschiedlichen Kandidaturen auswählen kann. Dies bietet dem Verband die Gelegenheit, sich über die strategische Ausrichtung des Präsidiums und die Rollenverteilung im Verband Gedanken zu machen.

Gegen aussen oder gegen innen?
Neben der Frage, wer mit welchem Profil das Präsidium übernimmt, ist eine klare Rollenverteilung sehr wichtig: Wer ist wofür zuständig? Wer vertritt wann wen? Nicht immer muss sich alles aufs Präsidium konzentrieren. Einzelne Verbände legen einen Schwerpunkt der präsidialen Tätigkeit auf das politische Lobbying und wählen so sinnvollerweise jemanden aus der Politik und delegieren die internen Angelegenheiten an die Geschäftsstelle. Andere wollen eine interne Führungsfigur im Präsidium und wählen daher jemanden aus den eigenen Reihen mit viel Verbands­erfahrung.

Das Lobbying wird dann beispielsweise an die Geschäftsführung delegiert. Schliesslich geht es nicht um die Frage nach richtig oder falsch, sondern nach der Prioritätensetzung. Wo drückt der Schuh bei HotellerieSuisse die nächsten Jahre am meisten: in der Vernetzung nach aussen oder bei den internen Prozessen? Ein politisches Präsidium bringt dem Verband automatisch ein grosses Netzwerk. Dafür fehlt Politikerinnen und Politikern häufig der «Stallgeruch», und sie sind zeitlich sehr stark ausgelastet, was zu Problemen in der Verfügbarkeit der Person für den Verband führen kann.

Personen, die den Verband schon länger kennen, fehlt dafür ab und an das Gespür für politische Prozesse, für geschicktes Lobbying, und manchmal fehlen auch gewisse Kommunikationskompetenzen im Auftritt gegen aussen. Wer brachial die Eigeninteressen durchzusetzen versucht, landet hart in der Schweizer Politik und wird von den Medien zerrissen.

Wer schon lange in einem Verband mitwirkt, bringt häufig viel Verständnis auf für interne Probleme, weil man deren Ursachen kennt. Negativ ausgedrückt: Es fehlt dann der frische Wind, das Kreative, das Mutige, das Freche. Ein intern rekrutiertes Präsidium bringt dafür mehr Ruhe und Kontinuität und mehr strategische Entscheide, die an der Basis breit abgestützt und somit mehrheitsfähig sind, während ein Präsidium von aussen viel Geschirr zerschlagen kann mit Ideen, die wenig taugen. Aber auch hier stellt sich die Frage: Braucht der Verband primär Kontinuität innerhalb seiner Strukturen, oder ist dringend frischer Wind von aussen gefragt?

Arbeitswelt Präsidium 4.0
Moderne Arbeitsformen machen auch vor Präsidiumsaufgaben nicht halt: Immer mehr Verbände kennen ein Co-Präsidium oder gar ein Trio an der Spitze oder entlasten das Präsidium mit klar delegierten Aufgaben für ein oder mehrere Vizepräsidien.

Dies hat den Vorteil, dass sich die Arbeiten auf mehrere Schultern verteilen, gegenseitige Vertretungen möglich sind und verschiedene Strömungen innerhalb des Verbandes, auch bezüglich beruflicher oder regionaler Herkunft, im Präsidium Einsitz nehmen können. In einem solchen System verteilt sich auch die Macht besser, und bei einem Ausfall einer Person lässt sich dies deutlich leichter abfedern.

Es besteht bei einer Aufsplittung der Aufgaben auf verschiedene Personen aber auch die Gefahr, sich in internen Machtkämpfen zu verzetteln. Zudem fehlt dann gegen aussen – insbesondere gegenüber den Medien – eine klare Ansprechperson. Medien brauchen zu jedem Verband einen Kopf, den man kennt. Bei einem Co-Präsidium gilt deshalb umso mehr: Es ist eine klare Rollenverteilung nötig, die immer wieder diskutiert und überarbeitet wird. Die drei Kandidaturen bei HotellerieSuisse bieten eine grossartige Ausgangslage für eine fundierte Diskussion. Geniessen Sie die (Aus-)Wahl!

Die Podiumsdiskussion der Kandidierenden vom 6. September gibt es hier zu sehen.

Nico van der Heiden, Leiter Masterstudiengang in Public and Nonprofit Management, Hochschule Luzern