Mit der Abstimmung vom nächsten Wochenende kommt auch die Vorlage zur Erweiterung der Antirassismusstrafnorm vors Volk. Die Vorlage soll Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung strafbar machen. Dass eine solche Gesetzesvorlage an die Urne kommt, zeigt, dass es in der Gesellschaft immer noch an Akzeptanz für die LGBT-Community mangelt. Und genau um diese Akzeptanz geht es Ian Johnson vom internationalen Beratungsunternehmen Out Now, der sich auf Marketingthemen innerhalb der LGBT-Gemeinschaft spezialisiert hat und unter anderem Hotels hinsichtlich der Bedürfnisse von schwulen, lesbischen und queeren Reisenden schult. «Wir wissen aus unseren zahlreichen Umfragen, dass sich schwule, lesbische und transidente Menschen oft Sorgen machen, wie sie in einem Hotel empfangen werden. Ursachen können Angst vor Homophobie sein oder die Befürchtung, dass Hotelmitarbeitende auf ein gleichgeschlechtliches Paar unbeholfen reagieren könnten», erläutert Johnson. Etwa, wenn nachgefragt werde, ob zwei Männer oder zwei Frauen wirklich ein Doppelbett möchten.

Schulung: Damit sich alle willkommen fühlen
Schweiz Tourismus (ST) hat das LGBT-Segment (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender) bis 2015 aktiv beworben. Dazu gehörte ein Lernprogramm für Hotels und das Label «gay friendly». Seither werden keine spezifischen Kampagnen mehr geführt, das Label existiert nicht mehr. Nun bietet das internationale Unternehmen Out Now – mit Unterstützung von ST – Hotels eine Onlineschulungsplattform, um Mitarbeitende zu sensibilisieren. Zudem lässt sich als Hotel ein Zertifikat erlangen.

Mittels Onlineschulung Mitarbeitende sensibilisieren
Mit Unterstützung von Schweiz Tourismus hat das Unternehmen Out Now Schweizer Hotels zur Schulung ihrer Mitarbeitenden eingeladen, um sie für die Bedürfnisse der LGBT-Community zu sensibilisieren. Über die Plattform Learn.lgtb können Hotels ihre Mitarbeitenden online schulen und sich als Hotel zertifizieren lassen. Eines der Hotels, welches ein solches «Out Now 2020 Certified»-Label erlangt hat, ist das Hotel Montana in Luzern. «Unser Ziel ist es, unsere Offenheit aktiv nach aussen zu tragen. Bei uns soll sich jeder, unabhängig von sexueller Orientierung, Religion, Alter, Nationalität und Geschlecht, wohlfühlen. Dies bezieht sich auf unsere Gäste, aber auch auf aktuelle und zukünftige Mitarbeitende», sagt Franziska Furrer, Assistentin Marketing und Events. «Zudem scheint es uns wichtig, die Mitarbeitenden für dieses Thema zu sensibilisieren.» Das Hotel Montana hat sich die Diversität schon lange auf die Fahne geschrieben respektive auf die Fassade projiziert. Bereits vor zehn Jahren erstrahlte das imposante Gebäude anlässlich der 100-Jahr-Feier des Hotels auch in den Regenbogenfarben.

Eine weltoffene Haltung muss vorgelebt werden
Stephan J. J. Maeder ist Hotelier und Mitbesitzer des Vintage-Hotels Carlton-Europe in Interlaken und setzt auf die Zielgruppe LGBT. Das Hotel, das sich seit Anfang 2019 explizit als Erwachsenenhotel positioniert hat und mit dem Label «adults only» ausgezeichnet ist, macht sich schon lange für Diversität stark. Auch Stephan J. J. Maeder hat das Hotel kürzlich mit dem Out-Now-Label auszeichnen lassen. Sichtbar ist sein Engagement jedoch schon seit vier Jahren. Ein Regenbogenkleber beim Eingang signalisiert, dass Menschen jeglicher sexueller Orientierung willkommen sind.

«Eigentlich ist es ja verrückt, dass es heute noch Schulungen braucht und die sexuelle Orientierung nach wie vor für rote Ohren sorgen kann», merkt er an. Die Schulungen der Plattform Learn.lgbt seien gut angekommen bei den Mitarbeitenden. Die Onlineplattform von Out Now erachtet er als gutes Hilfsmittel. Doch eine weltoffene Haltung müsse in erster Linie vorgelebt werden. «Es ist wichtig, ganz natürlich mit dem Thema umzugehen», so der Hotelier. Er legt grossen Wert darauf, dass seine Mitarbeitenden schwule, lesbische und queere Menschen als Gäste mit ganz normalen Bedürfnissen wahrnehmen.

Eine Zertifizierung alleine reicht noch nicht aus
Die Bedürfnisse scheinen also gar nicht so anders zu sein als bei heterosexuellen Menschen, wie Ray Fuhrer bestätigt. Er ist Gründer und Geschäftsführer des schwul-lesbischen Reisebüros Pink Cloud, das heute zur Kuoni-Gruppe gehört. «Gleichgeschlechtliche Paar wollen grundsätzlich wie heterosexuelle Paare behandelt werden, gleichzeitig aber auch wahrgenommen werden.» Dies erreiche man, indem man sich unverkrampft verhalte. «Es ist entscheidend, dass man die Thematik offen anspricht. Wenn zwei Frauen oder zwei Männer gemeinsam ein Zimmer gebucht haben, dann sollte man sie ganz offen fragen, welche Bettenkonfiguration sie wünschten, ob sie lieber zwei Einzel- oder ein Doppelbett hätten.»

[IMG 2]Und was hält der Gay-Reiseexperte von Labels? Gemäss Ray Fuhrer könnten Labels bei der Positionierung helfen. Doch wenn sich ein Hotel mit Labels und Zertifizierungen schmücke, dann müssten sich die Betreiber auch etwas einfallen lassen, um auf die Bedürfnisse dieses Gästesegmentes einzugehen. «Nur zu sagen, wir haben nichts gegen diese Leute, reicht nicht aus», führt Fuhrer aus. Er nennt kleine Aufmerksamkeiten, die jedoch den grossen Unterschied machen. Wenn zwei Männer ein Zimmer gebucht hätten, dann müsse man auch zwei Männerbademäntel und zwei Paar Männerbadeschlappen ins Zimmer legen und statt der «Vogue» ein Männermagazin wie das «Gentlemen's Quarterly». Dies gelte umgekehrt natürlich auch bei zwei Frauen. «In einer Stadt darf zudem ein Gayführer nicht fehlen. Während zielgruppenspezifischer Events wie dem Pink-Apple-Filmfestival in Zürich beispielsweise kann man Programme auflegen und die Reservierung der Tickets für die Gäste übernehmen», so Fuhrer. Auch die Pride in Zürich biete sich für spezielle Packages geradezu an.

«Es ist entscheidend, dass man die Thematik offen anspricht.»

Ray Fuhrer, Geschäftsführer Pink Cloud

Aufmerksame, herzliche Gastfreundschaft ist gefragt
Eine Hotelière, die seit vielen Jahren Gäste der LGBT-Community empfängt, ist Patricia Breede, die zusammen mit ihrem Ehemann Martin Häfeli das Arosa Vetter Hotel führt. Das 3-Sterne-Haus mit 22 Zimmern ist Partnerhotel der Arosa Gay Ski Week, die soeben zum 16. Mal über die Bühne gegangen ist (siehe unten). Ihr Hotel ist jeweils komplett ausgebucht während dieser Woche, viele Gäste kommen seit Jahren und kennen sich auch gegenseitig. «LGBT-Gäste schätzen es sehr, wenn sie spüren, dass wir auf sie eingehen, wir uns Zeit zum Plaudern nehmen und ein offenes Ohr für sie haben.»

Andreas Züllig und seine Frau Claudia Züllig-Landolt, die gemeinsam das Hotel Schweizerhof in Lenzerheide führen, beherbergten bereits 1993 eine internationale Gruppe schwuler Männer, die im Ort eine Skiwoche durchführen wollte. «Vor 27 Jahren war die Gesellschaft noch nicht sehr offen dafür. Entsprechend war die erste Gay Ski Week DAS Dorfgespräch», sagt Andreas Züllig, der auch als Präsident von Hotelleriesuisse amtet.

Während der Gaywoche in Lenzerheide, die dieses Jahr vom 8. bis 15. März stattfindet, kümmert sich vor allem seine Frau Claudia um die Gruppe. Zudem hat das Hotelierpaar langjährige Mitarbeitende, die schon längst souverän mit den Gästen umgehen, sodass keine Schulungen nötig sind. Hingegen besteht nach wie vor Klärungsbedarf bei den Hotelgästen. Denn der «Schweizerhof» ist ein ausgesprochenes Familienhotel. «Heute ist dies meist kein Problem mehr, und die Familien kommen auch in dieser Woche gerne zu uns», so Andreas Züllig. Vor 27 Jahren sei dies jedoch noch ganz anders gewesen.

Infos zur Abstimmung unter: admin.ch


Wenn ein ganzes Dorf mitzieht: Arosa ist stolz auf die Gay Ski Week
Alles fing ganz klein an. Die Arosa Gay Ski Week, welche dieses Jahr bereits zum 16. Mal stattfand, zählte bei der ersten Durchführung 2005 knapp 30 Teilnehmende. Heuer waren es 700 schwule, lesbische und transidente Menschen aus 30 Nationen, die vom 18. bis 25. Januar in Arosa weilten. Der Anlass bringt im eher schwachen Januar Logiernächte, viel Gastroumsatz und Leben ins Dorf. «Vor allem auch die Bergbahnen profitieren stark», sagt Pascal Jenny, Direktor von Arosa Tourismus. Die Logiernächtezahlen zeigten, dass die Gay Ski Week zu den Top-Anlässen in Arosa gehöre.

Das Gastropaar Hitsch und Valérie Leu, Initianten der ersten Stunde, brachten die Arosa Gay Ski Week zusammen mit Alex Herkommer, der fürs Marketing des Events zuständig ist, dorthin, wo sie heute ist. Von anfänglich einem Hotel sind heute 13 Hotels – vom einfachen B & B bis zum luxuriösen Tschuggen Grand Hotel – und 4 Ferienwohnungsagenturen als Partner dabei. «Zu Beginn waren viele Einheimische skeptisch eingestellt. Heute ist ganz Arosa stolz auf die Gay Ski Week», sagt Alex Herkommer.

Das Event ist mittlerweile so populär, dass sogar Celebrities wie der amerikanische Schauspieler Daniel Newman – ohne Einladung seitens der Organisatoren – daran teilnehmen. Newman twitterte fleissig und postete unermüdlich auf Instagram. «Ein Volltreffer für uns», sagt Alex Herkommer, dem fürs Marketing des Anlasses pro Jahr 50 000 Franken zur Verfügung stehen.

Neben den kritischen Stimmen habe es am Anfang auch Unsicherheiten gegeben, wie mit der LGBT-Gemeinschaft umzugehen sei. «Wenn man sie herzlich empfängt, dann sind sie Traumgäste und kommen immer wieder», so Herkommer. Wichtig sei ein unverkrampfter Umgang.

Arosa ist auch ausserhalb der Ski Week sehr beliebt bei der LGBT-Community. Die Destination ist einfach zu erreichen, bietet zahlreiche Sportmöglichkeiten und viel Gastronomie. Und gemäss Herkommer fühlen sich schwule, lesbische und queere Gäste in Arosa frei.

arosa-gayskiweek.com

Bernadette Bissig