In der Herbstsession fällt ein wegweisender Entscheid: Soll der allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsvertrag (AVE GAV) Vorrang gegenüber kantonalen und kommunalen Mindestlöhnen erhalten? HotellerieSuisse sagt: Ja – unbedingt.
AVE GAVs stehen für gelebte Sozialpartnerschaft. Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände verhandeln gemeinsam faire, branchenspezifische Arbeitsbedingungen. Die Lösungen sind praxistauglich, flexibel und berücksichtigen die Branchenrealität. Der Landes-Gesamtarbeitsvertrag (L-GAV) des Gastgewerbes regelt seit Jahrzehnten nicht nur Mindestlöhne, sondern auch Arbeitszeiten, Ferien, Sozialleistungen, Weiterbildungen und Beiträge an die Aus- und Weiterbildung. Er schützt Arbeitnehmende zuverlässig.
Kantonale oder kommunale Mindestlöhne greifen in diese bewährte Zusammenarbeit ein. Einseitig festgelegte Lohnuntergrenzen bringen das Gleichgewicht der Sozialpartnerschaft ins Wanken. Wo Löhne ohne Rücksicht auf die übrigen Regelungen politisch diktiert werden, geraten auch gemeinsam erarbeitete Lösungen zu Arbeitsbedingungen und Ausbildung unter Druck. Es entsteht ein regulatorischer Flickenteppich. Für Betriebe entsteht eine hohe administrative Belastung.
AVE GAVs stehen für gelebte Sozialpartnerschaft.
Regionale Mindestlöhne können über den im L-GAV vereinbarten liegen – ohne Ausbildung, Erfahrung oder wirtschaftliche Tragfähigkeit angemessen zu berücksichtigen. Besonders problematisch: Der Zugang zum Arbeitsmarkt wird für wenig qualifizierte Personen erschwert. Werden Löhne losgelöst von Produktivität oder Qualifikation festgelegt, geraten jene unter Druck, die auf einfache Einstiegsstellen angewiesen sind.
Ein staatlich verordneter Mindestlohn untergräbt die Handlungsfähigkeit der Sozialpartner. Er ignoriert die Realität zahlreicher Betriebe, die unter steigenden Kosten und Fachkräftemangel leiden. Für Arbeitnehmende bedeutet das keine automatische Verbesserung – gefährdete Arbeitsplätze helfen niemandem.
Die Sozialpartnerschaft ist ein tragendes Element unseres Arbeitsmodells. Sie verdient den verfassungsmässig verankerten Vorrang gegenüber politisch motivierten Einzelmassnahmen. Das Parlament hat jetzt die Chance, diesen Grundpfeiler zu stärken – zum Wohl aller.
Bettina Baltensperger ist Leiterin Arbeitsmarkt und Sozialpartnerschaft bei HotellerieSuisse.
