Ferienregionen, die direkt an den Auslandsmarkt grenzen, haben den Vorteil, dass die Anreise für Gäste von dort kurz ist. Die geografische Nähe lässt sich auch aktiv nutzen, zum Beispiel mit grenzüberschreitenden Produkten. Schaffhauserland Tourismus geht es genau so an: Gemeinsam mit süddeutschen Tourismusorganisationen wird die Drei-Welten-Card vermarktet, eine Gästekarte für Schwarzwald, Rheinfall und Bodensee mit vielen Vergünstigungen. «Sie macht unsere Region im süddeutschen Raum, unserem Schwerpunktgebiet, noch stärker sichtbar», sagt Marketingleiterin Denise Ulrich. «Konkret erfahren deutsche Gäste so von unserer breiten Angebotspalette – und erweitern den Radius ihrer Aktivitäten.» Letztendlich unterscheide man sich durch dieses Produkt auch von anderen Schweizer Destinationen.


2,25 Nächte blieben die Gäste aus Deutschland 2019 durchschnittlich im Hotel.

Ski nannten 8,4 Prozent als Hauptgrund für ihre Reise. Ebenfalls 8,4 Prozent nannten Entspannung und 6,9 Prozent Sport.

130 Franken gaben die Reisenden gemäss «Tourismus Monitor Schweiz 2017» im Schnitt täglich aus.

33,9 Prozent der Gäste aus Deutschland übernachten während ihrer Ferien im Hotel.
 

 

Nicht nur die Produktentwicklung, auch der Wissenstransfer geht über die Grenze hinweg. Jährlich finden Schulungen mit den deutschen Tourismusregionen Waldshut-Tiengen, Schwarzwald-Baar-Kreis und Konstanz statt, an denen fleissig genetzwerkt wird: Die Teilnehmenden informieren einander über Neuigkeiten und geben Empfehlungen. «Dieser Erfahrungsaustausch führt auch zur Neugästegewinnung», so Ulrich. Der grenzüberschreitende Ansatz habe auch finanzielle Gründe: Die Ressourcen seien begrenzt – und eine fundierte Marktbearbeitung nur in Kooperationen möglich, da sich die Ausgaben so auf mehrere Schultern verteilten.

Trend erkennen, Angebot anpassen
Deutschland hat einen Anteil zwischen 15 und 20 Prozent an den Logiernächten. Es kommen aber meist nur Tagesgäste, die Aufenthaltsdauer liegt im Schnitt bei 1,5 Tagen. Zwar sollen deutsche Gäste auch länger bleiben, und Angebote wie die Drei-Welten-Card zielen darauf ab. Jedoch erweise sich die Grenznähe punkto Übernachtungen als eher hinderlich, sagt Ulrich: «Da spüren wir die Preisunterschiede zwischen Deutschland und der Schweiz deutlich.»

Oft kommen deutsche Gäste für einen Tagesausflug nach Schaffhausen, die Unterkunft buchen sie aber in Deutschland. Wie damit umgehen? «Wir setzen auf die Qualität der Angebote und definieren uns nicht über die Preise. Es ist wichtig zu zeigen, dass diese berechtigt sind. Man sollte da nicht in eine Rechtfertigungshaltung fallen.» Und es könne praktisch in der ganzen Region mit Euros bezahlt werden. Bei einem wichtigen Markt wie Deutschland komme es zudem darauf an, Trends zu erkennen – und das Angebot in dem betreffenden Bereich zu verbessern.

Wir setzen auf die Qualität der Angebote und definieren uns nicht über die Preise
Denise Ulrich ist Marketingleiterin Schaffhauserland Tourismus    


Zum Beispiel seien deutsche Gäste vermehrt mit dem Fahrrad unterwegs. Sie führen vom Bodensee zum Rheinfall oder in unbekanntere Ecken. «Hier sind wir als Tourismusorganisation gefordert, Politik und Gesellschaft für dieses Thema zu sensibilisieren, damit gute Rahmenbedingungen geschaffen werden – beispielsweise genügend E-Bike-Ladestationen an den Strecken.»

Nach Davos GR zieht es deutsche Gäste schon lange, seit den von Deutschen geprägten Anfängen des Gesundheitstourismus im 19. Jahrhundert. Hinzu kommen zwei kulturelle Attraktionen: Thomas Mann mit seinem «Zauberberg», der die Schatzalp zu einem beliebten Ausflugsziel macht, und der deutsche Expressionist und Wahl-Davoser Ernst Ludwig Kirchner. Wegen der Historie, aber auch wegen des Weltwirtschaftsforums besitzt die Marke Davos in Deutschland grosse Bekanntheit. «Das ist in der Marktbearbeitung von unschätzbarem Wert», so Reto Branschi, Direktor der Destination Davos-Klosters. «Erstens müssen wir kein Geld in den Aufbau von Markenbekanntheit investieren, sondern können uns auf die Produkte- und Angebotskommunikation fokussieren. Und zweitens werden wir von Veranstaltern, Freizeitgästen und Journalistinnen automatisch als Bergort wahrgenommen.» Zur Marktbearbeitung gehören unter anderem Anzeigen auf Social-Media-Kanälen. Im Winter stehen Wintersport und Schneesicherheit im Fokus, im Sommer Biken und Wandern. «Die Bildsprache dabei ist klar auf Sports Unlimited ausgerichtet. Wir haben uns so positioniert, weil wir wissen, dass kaum eine andere Alpen-Destination ein so vielfältiges Sportangebot bieten kann.» Was deutsche Gäste besonders gut finden: das Winter-Gästeprogramm mit täglich wechselnden Touren. Dank Guide lasse sich die Destination so auf authentische Weise erleben, sagt Branschi. Ab Mai folgt das Sommer-Gästeprogramm mit mehr als 60 Aktivitäten.

Ein Dauerthema ist der Euro-Franken-Wechselkurs. Dass der Euro in den letzten 10, 15 Jahren schwächer geworden ist, hat zu einem Rückgang der Logiernächte geführt. «Eine grosse Herausforderung», so Branschi. Er hält nichts davon, mit starken Preissenkungen gegenzusteuern. «Wir können und dürfen uns nicht unter Wert verkaufen.»

Viel geschickter sei es, Mehrwertangebote zu schaffen und sichtbar zu machen. In Davos übernimmt diese Aufgabe die Gästekarte, die bestimmte Vergünstigungen beinhaltet. «Bei der Einführung 2008 war uns bewusst, dass wir mit den Europreisen im Ausland nicht mithalten können. Um dennoch konkurrenzfähig zu bleiben, setzten wir auf diese Zusatzleistungen.» Inzwischen sei die Gästekarte sogar ein Alleinstellungsmerkmal. Ein weiterer Faktor neben dem Wechselkurs ist die deutsche Wirtschaft. Florierte diese wie in den Jahren 2018/19 und 2019/20, stiegen auch gleich die Gästezahlen.

Kleine Events, grosse Wirkung
«Zu uns kommen deutsche Gäste, weil sie das Gefühl der Boutique-Metropole erleben möchten», sagt Thomas Wüthrich, Direktor von Zürich Tourismus. Als solche positioniert sich die Stadt auf dem internationalen Markt. Zürich biete alles, was eine Weltmetropole auch zu bieten habe: hochklassiges Kulturangebot, dynamische Foodszene, Events und Shoppingmöglichkeiten. «Was uns aber abhebt: Das alles ist in Zürich auf kleinstem Raum zu entdecken.» Ein Vorteil beim Markt Deutschland, zumal dieser sehr umkämpft sei, da für deutsche Gäste ja auch Amsterdam, Paris oder Wien in relativer Nähe lägen. Hinzu kämen als Pluspunkte temporäre Highlights, allen voran die Street Parade im August. Aber auch kleinere Events sind laut Wüthrich wichtig. Das Theater-Spektakel etwa spreche deutsche Kultur-Aficionados an.

Ein zentraler Aspekt für Wüthrich: Deutschland ist ein Direktbuchermarkt. Soll heissen, deutsche Gäste buchen die Reiseleistungen meist direkt und selbst. Das Hotel zum Beispiel beim OTA, die Anreise bei der Deutschen Bahn, die Zürich Card vor Ort. Bei einem solchen Markt sei kontinuierliche PR-Arbeit ein zentraler Teil der Marktbearbeitung. Es gehe darum, «eine ganzjährige vielfältige Inspiration potenzieller deutscher Gäste sicherzustellen». Dafür hat Zürich Tourismus eine eigene Agentur in Berlin, welche regelmässig die Redaktionen deutscher Medienhäuser besucht, Gruner + Jahr oder Burda. Ziel ist die redaktionelle Berichterstattung in den Themenclustern von Zürich Tourismus, in Deutschland primär die Themen Kultur, Food, Sommer, Weihnachten. Aktuelles Beispiel: Im Reisemagazin «Geo Saison» erschien der Beitrag «Geldspartag», der als teuer geltende Destinationen vorstellte – und wie sich dort dennoch mit begrenztem Budget Urlaub machen lässt. Diese Geschichte folgt laut Wüthrich dem Narrativ, «dass Zürich nicht günstig ist, aber ein Stadterlebnis höchster Qualität bietet».


Nachgefragt

Mit lokalem Touch punkten

Oliver Schäfer ist General Manager im Steigenberger Hotel München. Der Hotelier weiss, was deutsche Gäste an einem Hotelaufenthalt gut finden.

Herr Schäfer, wie lassen sich deutsche Gäste beschreiben?
Wenn man so pauschal sprechen kann, dann sind Gäste aus Deutschland akkurat, gründlich und genau. Wobei es natürlich Unterschiede zwischen den Businessgästen und den Urlaubsgästen gibt. Die Businessgäste schätzen schnelle, unkomplizierte Abläufe, sei es digitales Check-in, schneller Service beim Frühstück und natürlich gutes, schnelles WLAN. Urlaubsgäste suchen viel mehr den Kontakt zu den Mitarbeitenden. [IMG 2]

Was kann ein Hotel konkret tun, um die Erwartungen deutscher Gäste zu erfüllen?
Da sind Details entscheidend. Gäste aus Deutschland legen beim Frühstück grossen Wert auf eine qualitativ hochwertige Auswahl an Backwaren. Wir beziehen unser Brot von einer lokalen Ökobackerei. Generell kommen lokale Produkte sehr gut an, auch bei den Getränken. Wir haben im Hotelrestaurant einen Bierkristall. Ein grosser begehbarer Kühlschrank in Form eines Kristalls, mit Bier von vielen kleinen regionalen Brauereien. Da staunen selbst Gäste aus Bayern. Auch beim Interior Design orientieren wir uns an der Region. Unsere Saunen sind einem Braukessel aus Kupfer und Holz nachempfunden. Überall im Hotel findet sich ein lokaler Touch – das mögen deutsche Gäste.

Was mögen sie eher nicht?
In Deutschland spielt der Umweltaspekt eine grosse Rolle. Daher verzichten wir wo möglich auf Umverpackungen wie kleine Shampoo- und Duschgelflaschen oder Handseife. Die würden sonst direkt nach der Abreise weggeworfen. Auch geben wir lieber eine normale Tasse als einen To-go-Becher mit, wenn die Gäste einen Kaffee in ihrem Zimmer trinken möchten.

Was fällt Ihnen sonst bei den deutschen Gästen auf?
Gerade die Urlaubsreisenden sind nach einem ausgedehnten Frühstück gerne in der Stadt unterwegs und erkunden diese auch abseits der bekannten Pfade. Da sind unsere Mitarbeitenden gefragt, im persönlichen Gespräch immer einen guten Insider-Tipp parat zu haben, sei es für ein neues Restaurant, ein besonderes Wirtshaus oder ein spezielles Geschäft. Wir beobachten in letzter Zeit auch, dass unsere deutschen Gäste vermehrt auf E-Scooter oder Leihfahrrad umsteigen, wenn sie die Stadt erkunden. Was sehr gut angenommen und besonders positiv bewertet wird: Hotelangebote, die den öffentlichen Nahverkehr inkludieren. 

Werfen wir einen Blick auf Ihr Marketing: Haben Sie da einen Tipp?
Grundsätzlich gilt: Um als attraktiv wahrgenommen zu werden, sollte ein Hotel nicht nur sich selbst, sondern immer auch die Stadt oder  die Region mit vermarkten.

Und speziell Social Media? Worauf kommt es da an beim Markt Deutschland?
Wenn wir jetzt mal den B2C-Bereich nehmen, da bespielen wir die gängigen Kanäle Facebook und Instagram mit organischen Posts, Paid-Content und Influencer-Marketing. Wobei der Schwerpunkt eher auf Instagram liegt. Um diese Kanäle effektiv zu bearbeiten, braucht es eine klare Strategie, Message und Bildsprache. Und kontinuierliche Kommunikation: Jeden Kanal, den man als Hotel aufmacht, muss man auch pflegen – im Idealfall mehrmals täglich.

Was ist bei der Preisgestaltung wichtig? Sind deutsche Gäste eher preissensibel?
Gäste aus Deutschland freuen sich über ein gutes Angebot oder Package. Und Vorteilsprogramme kommen bei ihnen  gut an. Unser Loyalty-Programm H Rewards bietet spezielle Angebote und viel Mehrwert. Zum Beispiel ermässigte Zimmerpreise.

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