Dass unternehmerische Verantwortung weit über die Betriebsgrenzen hinausgeht und unternehmerischer Erfolg nicht ausschliesslich an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen gemessen werden sollte, ist heute für fortschrittliche Betriebe eine Selbstverständlichkeit. So ist es keine Überraschung, dass hinter den Vorzeigebeispielen in Sachen Nachhaltigkeit meist Führungspersönlichkeiten stehen, die ihr Engagement aus einer intrinsischen Motivation und einem Verantwortungsbewusstsein heraus vorantreiben, auch wenn sich der betriebswirtschaftliche Nutzen manchmal nur indirekt oder langfristig zeigt.

Nichtsdestotrotz muss ein Unternehmen, das langfristig erfolgreich sein möchte, auch wirtschaftlich erfolgreich sein. Insofern stellt sich die Frage, welche Chancen nachhaltiges Wirtschaften für Unternehmen bringen kann und wie sich damit auch Geld verdienen lässt.

Wirtschaftliches Potenzial
Neben der Verantwortung gegenüber der Umwelt und Gesellschaft spricht auch konkretes wirtschaftliches Potenzial dafür, seinen Betrieb in Richtung Nachhaltigkeit zu entwickeln. Ein effizienterer Umgang mit Ressourcen führt direkt zu Kosteneinsparungen. Betriebe, welche sich für Nachhaltigkeit engagieren, sind attraktiver für Arbeitnehmende der jungen Generation und haben einen Vorteil bei der Rekrutierung von Fachkräften. Studien zeigen zudem, dass Unternehmen mit Nachhaltigkeitsmassnahmen auch ihre Resilienz steigern.

Bund, Kantone und viele Gemeinden haben Nachhaltigkeitsstrategien entwickelt und richten ihre Politik zunehmend an Nachhaltigkeits- und Klimazielen aus. Auch in der Tourismuspolitik des Bundes hat die nachhaltige Entwicklung an Bedeutung gewonnen und nimmt in der neuen Tourismusstrategie des Bundes einen zentralen Stellenwert als eigenständiges tourismuspolitisches Ziel ein. Betriebe, welche sich bereits jetzt systematisch engagieren, werden in Zukunft besser gerüstet sein, wenn auch seitens der Politik der Druck zunehmen wird. Das Nachhaltigkeitsengagement könnte beispielsweise zu einer Bedingung werden, um von Förderinstrumenten profitieren zu können.

Im Vertrieb und Verkauf gewinnt eine nachhaltige Ausrichtung für die Gäste an Bedeutung. Die grossen Buchungsplattformen wie Booking oder auch Google Travel heben neu Unterkünfte für nachhaltiges Reisen respektive mit Umweltzertifikat explizit hervor. Die Nachfrage wird insbesondere bei Umweltthemen sensibler. Daraus ergibt sich konkretes Markt- und Ökonomisierungspotenzial.

Nicht zuletzt lohnt sich das Nachhaltigkeitsengagement auch im Hinblick auf die Konkurrenz. Immer mehr Unternehmen entwickeln sich in Richtung Nachhaltigkeit. Entsprechend wird eine konsequente nachhaltige Ausrichtung in Zukunft unumgänglich sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Nachhaltigkeit erlebbar machen
Vieles, was ein Betrieb in Richtung Nachhaltigkeit umsetzt, läuft im Hintergrund ab und ist für den Gast nicht direkt sichtbar. Wer sich als aktiver Betrieb positionieren möchte, hat aber verschiedene Möglichkeiten, sein Engagement mittels Angebotsgestaltung oder Kommunikation sicht- und erlebbar zu machen.

Nachhaltigkeitsbestrebungen sind insbesondere dann erfolgreich, wenn sie in Angeboten erlebbar gemacht werden, ohne dem Gast mittels Mahnfinger den Spass zu verderben. Es gibt viele gute Beispiele dafür, dass nachhaltige Angebote nicht unbequemer oder teurer sein müssen, sondern zu einem echten Mehrwert führen können.

1. Die Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel wird durch das Bereitstellen der nötigen Informationen einfacher, durch einen Anreiz in Form eines Gutscheins günstiger, durch den Verleih von Fahrrädern attraktiver und durch einen Abhol- oder Gepäckservice bequemer.

2. Beim Einkauf ermöglicht der konsequente Fokus auf regionale Lebensmittel, das kulinarische Erlebnis für den Gast spannender und vielseitiger zu gestalten. Regionale Produkte werden meist als gesünder und hochwertiger wahrgenommen. Die angebotenen Produkte können mittels spannender Geschichten zur Produktion und zu den Lieferanten vermittelt werden und ermöglichen es dem Gast, Regionalität authentisch zu erleben. Die Vermittlung der dahinterstehenden Philosophie und der Geschichten hinter den Produkten erhöhen zudem die Zahlungsbereitschaft der Gäste sowie die Weiterempfehlungen (z. B. über Social Media).

3. Ein gutes Beispiel, wie aus der Not eine Tugend gemacht werden kann, sind die Candle-Light-Dinner, welche über 30 Restaurants der Destination Adelboden-Lenk-Kandersteg diesen Winter wöchentlich anbieten. Das Angebot spart nicht nur Strom, sondern schafft dabei für die Gäste eine besondere und gemütliche Winterstimmung.

4. Nicht zuletzt können sogar Reduktion und Verzicht positiv assoziiert sein und einem Gästebedürfnis entsprechen, wie der Trend zu Angeboten von veganem Essen bis zu Digital Detox zeigt. Gerade das Anbieten vegetarischer Gerichte zahlt sich auch für den Betrieb aus, da der Einkauf ohne Fleisch günstiger, die Rendite auf den Gerichten hingegen in der Regel höher ist.

Nachhaltigkeit kommunizieren
Nicht alle Nachhaltigkeitsaspekte sind für den Gast direkt wahrnehmbar. Dass die Mitarbeitenden sich wohlfühlen, sollte für den Gast spürbar sein. Andere Aspekte wie energieeffiziente Geräte, der Einsatz erneuerbarer Energien oder soziales Engagement des Betriebs sind meist nur durch eine geschickte Kommunikation vermittelbar.

Wer sich als verantwortungsvoller Betrieb positionieren möchte, muss deshalb den Gästen seine Werte und Ziele aktiv vermitteln. Viele Nachhaltigkeitsthemen (z. B. Herkunft von Produkten, soziale Projekte, Kompensationsprojekte) eignen sich sehr gut, um Geschichten zu erzählen (Storytelling). Die Gäste schätzen es, zu wissen, dass sie etwas Gutes tun und einen positiven Impact hinterlassen. Wenn die Gäste die Motive und Hintergründe kennen, sind sie auch bereit, mehr Geld auszugeben.

In Hinblick auf den Vertrieb kann die Präsenz auf spezialisierten Buchungsplattformen (Bookdifferent, Bookitgreen, Ecobnb) helfen, ein affines Publikum anzusprechen und die Reichweite zu erhöhen. Mit entsprechenden Zertifikaten werden engagierte Betriebe zudem auch bei etablierten Portalen wie Booking oder Google Travel explizit gekennzeichnet.

Wichtig zu wissen ist, dass Nachhaltigkeitskommunikation allein – ohne Nachweis, wo es konkrete Verbesserungen gibt –unglaubwürdig wirkt. In der Kommunikation ist es zentral, transparent und glaubwürdig zu informieren und Greenwashing zu vermeiden.

Aktiv werden
Voraussetzung für ein glaubwürdiges Nachhaltigkeitsengagement sind ein grundsätzliches Commitment sowie ein systematischer und strukturierter Ansatz. Nur dann kann es gelingen, sich als verantwortungsvoller Betrieb zu positionieren und mit dem Nachhaltigkeitsengagement Geld zu verdienen. Eine Möglichkeit, sich in diese Richtung zu entwickeln, bietet das Nachhaltigkeitsprogramm des Schweizer Touris-mus – Swisstainable. Mit den drei Levels bietet es Betrieben Orientierung und Einstiegs- sowie Weiterentwicklungsmöglichkeiten, unabhängig davon, ob ein Betrieb schon länger aktiv ist oder sich erst auf den Weg macht, sich in Richtung Nachhaltigkeit zu entwickeln. Zudem verleiht die Teilnahme am Programm dem Nachhaltigkeitsengagement Sichtbarkeit gegenüber dem Gast.

Um Nachhaltigkeit aus betrieblicher Sicht in Wert setzen zu können, ist ein schrittweises Vorgehen empfohlen:

1. Voraussetzungen schaffen

Der Swisstainable-Check ermöglicht eine erste Standortbestimmung und hilft, Handlungsbereiche zu identifizieren. Später können weitere Nachhaltigkeitsnachweise erarbeitet oder eine Nachhaltigkeitszertifizierung angestrebt werden.

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2. Nachhaltigkeitsmassnahmen umsetzen

Im Hinblick auf das wirtschaftliche Potenzial empfiehlt es sich, Nachhaltigkeitsmassnahmen insbesondere in Bezug auf die folgenden beiden Aspekte zu prüfen. 1. Wie hoch sind Aufwand und Kosten für Planung und Umsetzung? Wie relevant ist die Massnahme aus Gästesicht respektive wie kann sie kommuniziert werden? Es gibt eine Vielzahl von Umsetzungshilfen zu verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekten – zum Beispiel auf der Website von HotellerieSuisse.

3. Nachhaltige Erlebnisse schaffen

Wer mit Swisstainable eine Basis gelegt und Massnahmen umgesetzt hat, kann Nachhaltigkeit durch die Schaffung von Erlebnissen in Wert setzen. Konkrete Angebote und eine gezielte Kommunikation ermöglichen es, neue Gästesegmente anzusprechen und von einer erhöhten Zahlungsbereitschaft zu profitieren.

Die Beispiele engagierter Betriebe zeigen, dass ein Nachhaltigkeitsengagement wirtschaftlich erfolgreich sein kann und dass im Wahrnehmen unternehmerischer Verantwortung vielfältige Chancen und Potenzial liegen.

Jürg Stettler und Fabian Weber haben zusammen mit Hansruedi Müller im Auftrag von Schweiz Tourismus und mit der Branche das Nachhaltigkeitsprogramm Swisstainable entwickelt. Dieses steht allen Betrieben und Organisationen des Schweizer Tourismus offen: Betrieben, die bereits eine umfassende Nachhaltigkeitszertifizierung aufweisen und auch Betrieben, die sich jetzt auf den Weg in eine nachhaltigere Entwicklung begeben möchten. [IMG 3]

 

Das Institut für Tourismus und Mobilität (ITM) der Hochschule Luzern ist in Forschung und Beratung im Bereich Tourismus und nachhaltige Entwicklung tätig und bietet mit dem «Atelier Sustainability» auch Weiterbildungskurse zum Thema an.

stnet.ch/de/swisstainable