Wer sich seiner Sucht stellt, einen operativen Eingriff benötigt, seine psychischen Probleme angehen will oder eine Rehabilitation durchlaufen muss, findet die passende Klinik nicht immer direkt vor der Haustüre. Patientinnen und Patienten aus Ländern, die über ein schlechtes Gesundheitssystem verfügen, weichen dann gerne aus – vorausgesetzt, sie verfügen über die nötigen Mittel, um die Behandlungen selber bezahlen zu können. Die Schweiz bietet sich da als ideales Ziel an, denn die Kombination aus medizinischer Topqualität und Diskretion überzeugt.

Schweiz Tourismus (ST) schätzt, dass ausländische Patientinnen und Patienten zusammen mit ihren Angehörigen hierzulande rund 490'000 Logiernächte pro Jahr generieren – die Aufenthalte in den Kliniken nicht mitgerechnet. Wobei sich der touristische Umsatz auf etwa 196 Millionen Franken beläuft. Durch eine aktive Promotion des Gesundheitstourismus würden sich diese Zahlen gar steigern lassen.

Ganz unterschiedlich ist die Ausgangslage bei den 26 Kliniken, die mit ST eine Partnerschaft eingegangen sind. Je nach Art der Behandlungen sind fast ausschliesslich Gäste mit ausländischen Wurzeln hier, oder es gibt eine Durchmischung mit Einheimischen. Manche Kliniken sind einem Hotelbetrieb angegliedert, andere wiederum organisieren sich völlig eigenständig.

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Patienten entwickeln starke Bindung zur Schweiz
In Vitznau ist die Suchtklinik Neoviva stationiert. Wo genau, bleibt aus Gründen der Diskretion ungenannt; der Standort ist mit Bedacht ausgewählt worden. Denn: «Menschen brauchen bei ihrem Weg aus der Drogen- oder Alkoholsucht ein positives Umfeld», erklärt Oliver Neubert, Gründer und Vorsitzender des Verwaltungsrates. Dazu gehört nebst gutem Essen, behaglichen Zimmern und massgeschneiderten Therapien auch eine gesunde Umgebung. Die kann das Hotel, in dem die Klinik untergebracht ist, bieten. Direkt am See, mit Blick auf die Berge samt einem Park mit Palmen, Schwimmbad und Wellnessbereich.

Unsere Patientinnen und Patienten brauchen eine positive Umgebung.
Oliver Neubert,Gründer und Verwaltungsratspräsident von Neoviva

Fünf Menschen finden hier Platz, um in ein neues, von Abstinenz geprägtes Leben zu starten. Die meisten Gäste stammen aus dem Ausland oder haben ausländische Wurzeln, die Sprache in der Klinik ist denn auch Englisch. Viele Anfragen kommen aus Europa, speziell England. Aber auch Betroffene aus dem arabischen Raum und den Golfstaaten suchen hier Hilfe. «Manchmal reisen Angehörige mit und bleiben die ganze Zeit über selber auch in der Region», sagt Oliver Neubert. Und viele Patientinnen und Patienten würden im Laufe der Zeit eine starke Bindung zur Umgebung entwickeln – zu diesem Ort, der einen Neustart bedeutet und wo sie mindestens vier Wochen verbringen. «Ich kenne sogar eine Familie, die nach Abschluss der Behandlung in die Schweiz gezogen ist.» Andere wiederum würden regelmässig in die Schweiz zurückkehren, um hier Ferien zu geniessen, meist im hochpreisigen Segment.

Für die nötige Diskretion im Hotelbetrieb ist gesorgt
Der Philosophie von Neoviva entspricht, dass die Gäste nebst dem Konsum auch die Ursache ihrer Sucht angehen. Um später mit all den Versuchungen und Triggern klarzukommen, bewegen sie sich bereits während der Therapie auch ausserhalb ihrer «Treatment-Bubble», im echten Leben. Ausflüge in die Natur, Begegnungen im Hotel, unterwegs mit den Hunden und Eseln der Klinik – oder Reitstunden auf dem eigenen Pferd. «Ja, bei uns darf man seine Haustiere mitbringen, selbst die grossen», erklärt Oliver Neubert. Denn gerade Vierbeiner könnten in schwierigen Situationen eine Stütze sein und Trost spenden.

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Der Gründer weiss genau, wovon er spricht, ist er doch selber «in recovery» und lebt seit 35 Jahren abstinent. Die Klinik in einem Hotel unterzubringen, war ein bewusster Entscheid und hilft den Patientinnen und Patienten auf ihrem Weg zurück in die Gesellschaft. Anders als in einem gängigen Gästehaus kennt das Personal die Betroffenen hier allerdings nur mit Vornamen – so wird der Datenschutz gewahrt.

Herrscht in der Klinik mal Platzmangel, können zusätzliche Hotelzimmer dazugenommen werden. «Die Suchtproblematik wird in den kommenden Jahren grösser, komplexer und tödlicher», sagt Neubert. Deshalb ist eine Verdoppelung der Kapazität auf zehn Patienten geplant. Um eine Zusammenarbeit mit ST hat sich die Klinik aktiv bemüht: «Wir vertreten viele gleiche Werte.» Werte wie Stabilität und Sicherheit, Gastfreundschaft und beste Qualität. «Und das alles inmitten einer instagrammablen Touristendestination.»

1 Im Vergleich mit 35 europäischen Ländern verfügt die Schweiz über das beste Gesundheitswesen.
2 Die medizinische Kompetenz ist hoch: Forschung, Unis, Pharmaunternehmen und Kliniken arbeiten Hand in Hand.
3 Die technische Infrastruktur in den Spitälern ist hervorragend.
4 Die politische Lage im Land ist stabil.
5 Mit Kulturen und Religionen wird sensibel umgegangen, Toleranz und Diskretion werden gelebt.Quelle: Plattform «Gesundheitstourismus» von Schweiz Tourismus


Medizin für Körper und Geist in einem 5-Sterne Haus
Über eine einzigartige Lage verfügt auch das Ärztezentrum auf dem Bürgenstock, das dem Waldhotel angegliedert ist. Hier sind in der stationären Reha-Abteilung vorwiegend Schweizerinnen und Schweizer anzutreffen. Ausländische Gäste hingegen entscheiden sich hier vorwiegend für medizinische Check-ups, Programme für Gewichtsabnahme und Ernährung, Detox oder dazu, Körper und Geist wieder in Einklang zu bringen.

Heilung und Entspannung gehören zum Alltag, aber nicht nur: «Wir bieten hier seriöse und echte Medizin an», sagt Verena Briner, die ärztliche Leiterin des Zentrums. Entdeckt sie bei einer Untersuchung einen zu hohen Blutdruck oder Blutzuckerspiegel, klärt sie auf, redet dem Betroffenen ins Gewissen. «Gerade ausländische Gäste haben oft wenig Wissen bezüglich ihrer Gesundheit und eines gesunden Verhaltens.» Sie appelliert dann jeweils an den Menschenverstand und mehr Achtsamkeit.

Hotelgäste kommen wieder, weil sie medizinisch einen Mehrwert erhalten.
Verena Briner, Ärztliche Leitung des medizinischen Zentrums im Waldhotel auf dem Bürgenstock

Mit dem Waldhotel steht den Patientinnen und Patienten hoch über dem Vierwaldstättersee ein 5-Sterne Haus mit 137 Zimmern und Suiten zur Verfügung. In dieser Symbiose aus Natur, Medizin und Wohlergehen geniessen Reisende aus Deutschland, den USA, Katar, Holland oder England ihren Aufenthalt, verwöhnen ihre Sinne mit Schönem – und nutzen zudem das medizinische Angebot. Manchmal checken ganze Familien ein, manchmal Paare oder Einzelpersonen.

Verena Briner sieht in diesem Segment durchaus die Chance, noch zuzulegen: «Gäste kommen wieder, wenn sie mit dem Angebot zufrieden sind und einen Mehrwert erhalten.» Das funktioniert nicht nur bei Privaten, sondern auch bei Unternehmen. So gönnen Firmen ihren Mitarbeitenden zum Beispiel während einer Klausur gerne eine aktive, gesundheitsfördernde Abwechslung – wie ein Training mit einem Fitnesscoach.

Ausländische Gäste sind Selbstzahler
Idyllisch gelegen ist auch die Privatklinik Mentalva der Psychiatrischen Dienste Graubünden, die mitten in der Bergwelt und am Fusse des Piz Beverin bei Cazis in die Klinik Beverin eingebettet ist. Hier finden Menschen mit psychischen und psychosomatischen Beschwerden ein kombiniertes Angebot aus Schul- und Komplementärmedizin, der Körper wird miteinbezogen und tiergestützte Therapien sind mit im Programm.

Viele Betroffene finden uns über das Internet oder über eine Agentur.
Enrico Frigg, Leitender Arzt und stellvertretender Chefarzt der Privatklinik Mentalva in Cazis

Zwischen sieben und acht Wochen bleiben die meisten Betroffenen hier in dieser erholsamen Atmosphäre stationiert, Platz hat es für maximal 17 Personen. «In den vergangenen zwei Jahren behandelten wir fünf Patientinnen und Patienten aus dem Ausland», sagt Enrico Frigg, stellvertretender Chefarzt der Klinik. Sie stammten aus Argentinien, den USA, Europa, Russland und der Ukraine. Grundsätzlich gebe es viele Anfragen aus der ganzen Welt, doch nur wenige kämen dann tatsächlich nach Graubünden. «Das hat vermutlich auch mit den Kosten zu tun, die sie selber tragen müssen.»

Patient und Klinikmüssen sich finden
Die Zusammenarbeit mit Schweiz Tourismus hat die Klinik ganz bewusst gesucht. Mit dem Bau von zwei grosszügigen Suiten besteht neu ein attraktives Angebot, das den Ansprüchen wohlhabender Gäste aus der ganzen Welt entsprechen könnte. «Dank der Partnerschaft hoffen wir, die entsprechenden Patientinnen und Patienten auf uns aufmerksam zu machen», erklärt Frigg.


Nachgefragt

Welches Potenzial sehen Sie für den Gesundheitstourismus in der Schweiz?
Vor der Pandemie reisten schätzungsweise jedes Jahr 70 000 internationale Gäste – Patienten und dazugehörige Pflegekräfte – in die Schweiz, um sich medizinisch behandeln zu lassen. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Zahl in den nächsten Jahren zunehmen wird, sofern die Wirtschaftslage günstig bleibt. [IMG 2]

ST arbeitet mit 26 Kliniken zusammen – wie funktioniert das genau?
Die Palette der Kooperationspartner reicht von Akutmedizin über mentale Gesundheit bis hin zu Rehabilitation und Prävention. Diese Partner kaufen konkrete Marketingleistungen bei ST ein. Hierzu zählt zum Beispiel die Integration ins Health-Magazin oder die Präsenz auf MySwitzerland.com/health.

Wir bieten den Partnern einumfassendes Netzwerk in ausgewählten Märkten.

Die Partner werden zudem in die digitalen Kampagnen miteinbezogen und haben die Möglichkeit, sich an zahlreichen Events den Medien, Endkunden und Vermittlern im In- und Ausland zu präsentieren. Kurz gesagt bietet ST den Partnern digitale und analoge Marketingplattformen und Zugang zum umfassenden Netzwerk in den ausgewählten Märkten.

2023 sind diverse Health Missions geplant. Was ist das Ziel dieser Reisen?
Kürzlich fand die Health Mission in Brasilien statt. Dabei waren die Gesundheitstourismusexperten von ST mit Kooperationspartnern der Health-Kampagne in São Paulo und Rio de Janeiro unterwegs, um die Schweiz als Gesundheitsdestination zu vermarkten. Hierfür organisierte ST vor Ort diverse Events mit ausgewählten Zielgruppen aus den Bereichen Medien, B2B und B2C. In Brasilien waren dies unter anderem ein Medienfrühstück oder ein Gala-Anlass in der Schweizer Botschaft.

Welche Länder sind dabei vor allem im Fokus?
Der Fokus liegt auf denjenigen Märkten, die gemäss Studien besonders affin für das Thema sind, über grosses Potenzial und die notwendige Kaufkraft verfügen. Hierzu zählen derzeit die Golfstaaten, Zentralasien, China, Brasilien und Grossbritannien.

Im Juni 2023 findet ein Switzerland Travel Mart zu diesem Thema statt. Worum geht es da?
Dazu lädt ST total 25 internationale, auf Gesundheitstourismus spezialisierte Buyer wie Ärzte und Vermittler ein. Sie werden im «Kempinski Palace» Engelberg für 1:1-Verkaufsmeetings auf Vertreterinnen und Vertreter der Kooperationspartner treffen. Dazu sind noch vier verschiedene Post-Convention-Touren geplant, wo die Buyer nebst den Kliniken auch die am besten geeigneten Hotels in der Schweiz kennenlernen, da die Patientinnen und Patienten oftmals mit Angehörigen anreisen.