Produkte, Löhne und Energie werden in der Schweiz immer teurer. Von der Inflation besonders betroffen ist der Energiesektor wegen der Ukraine-Krise. Unternehmen, die viel Energie benötigen, bekommen das speziell zu spüren. Darunter fallen Wellnessanlagen und Bergbahnen. Ebenfalls betroffen ist die Logistik, weil tanken teurer wird als bisher. An den Zapfsäulen bezahlt man für einen Liter Benzin 98 laut Touring-Club Schweiz momentan 2.37 Franken, noch vor einem Jahr tankte man für 1.50 Franken.

Ein weiterer Kostentreiber ist der Fachkräftemangel. Weil eine Auswahl an potenziellen Mitarbeitenden fehlt, können Gastro- und Hotelmitarbeitende Lohnforderungen stellen, was zu höheren Löhnen führt. Punktuell steigen die Preise auch aufgrund von schlechten Ernten. Vergangenes Jahr betraf es beispielsweise die Kartoffelernte in der Schweiz und die Kaffee-Ernte in Brasilien. Die Kartoffelernte war auf einen zu nassen Sommer zurückzuführen. Bei der Kaffee-Ernte führten Trockenheit und anschliessender Frost zu Ernteausfällen.[RELATED]

Zinsen als Instrument für Preisstabilität
Verschiedene Instrumente können eingesetzt werden, um der Inflation entgegenzuwirken. Höhere Zinsen beispielsweise. Je höher die Zinsen, desto weniger Kredite werden aufgenommen, desto weniger Geld ist im Umlauf. Dies bremst zwar das Wirtschaftswachstum, drückt aber gleichzeitig die Inflation. Für die Schweizer Nationalbank (SNB) liegt der Richtwert einer gesunden Inflation bei einer Rate von weniger als 2 Prozent pro Jahr. Um die Inflationsrate von 3,4 Prozent zu senken, erhöhte die SNB den Leitzins am 17. Juni um 0,5 Prozentpunkte auf −0,25 Prozent. «Und es ist davon auszugehen, dass ein weiterer Schritt kommen wird», schaut Peter Gloor, Direktor der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit, in die Kristallkugel. Damit zeichnet sich das Ende einer langen Zeit von nominellen Negativzinsen ab.

Dollar und Euro haben an Wert eingebüsst
Die Schweiz ist von der Inflation jedoch weniger stark betroffen als die Nachbarländer. In der Euro-Zone liegt sie bei 8,9 Prozent, so hoch wie nie seit Einführung der Gemeinschaftswährung im Jahr 1999. Weil die Inflation in der Schweiz weniger hoch ist, werden Ferien hierzulande theoretisch günstiger. Leider bleibt ein Tourismusboom Wunschdenken. Gäste aus Europa haben aufgrund der Inflation ein tieferes Reisebudget als in früheren Jahren. Zusätzlich wurde der Euro innerhalb der letzten Monate deutlich entwertet. Für die Schweizer Exportindustrie, den Tourismus, ist es eine grosse Herausforderung, wie mit der Inflation umzugehen ist. Wie trifft die Inflation die Hotellerie? Ist – wie bei einer Inflation üblich – die Konsumentenstimmung angeheizt? Soll der Kostenanstieg mit einer Preiserhöhung auf die Konsumenten abgewälzt werden? Werden die Zinsen ins unermessliche steigen? Soll der Staat Tourismus subventioniert oder eine Preisobergrenze festlegen? Experten geben Antworten.

 

Eine reelle Lohnerhöhung soll im September laut Gewerkschaftsbund drin liegen.

1. Wo trifft die Inflation die Hotellerie am stärksten?
«Angetrieben wird die Inflation durch drei Hauptkomponenten», sagt Amy Ferguson von der Accor-Gruppe, «hohe Energiepreise, einen enormen Anstieg der Logistikkosten sowie die Löhne.» Letzteres mitunter aufgrund des grossen Arbeitskräftemangels im Gastgewerbe, aber auch im Transport- und Produktionssektor. Die Inflation wirke sich somit auf alle Komponenten der Versorgungskette aus – von Food & Beverage über Verbrauchsmaterialien bis hin zur Energie. Angetrieben durch die steigenden Lebensmittelkosten und die inflationären Heizkosten, aber auch durch die erwartete Preisrunde bei den Krankenversicherungen, fordert der Schweizer Gewerkschaftsbund den Ausgleich der Teuerung. Ebenfalls soll bei den Verhandlungen im September eine reelle Lohnerhöhung drin liegen. Mit diesen Massnahmen soll einer Rezession entgegengewirkt werden.

 

Die schlechte Stimmung hat die Gastronomie und die Hotellerie nicht oder noch nicht getroffen.

2. Ist die Konsumentenstimmung bereits eingetrübt?
Bei einer Inflation wird die Konsumentenstimmung in der Regel angeheizt. Sparer geben das Geld lieber aus, als es auf dem Konto zu belassen, wo es an Wert verliert. Das Gegenteil ist der Fall: Die Konsumentenstimmung ist stark eingetrübt. Im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre lag sie bei −0,5 Punkten. Nach Beginn des Angriffskriegs in der Ukraine stürzte sie auf −42 Punkte. Die schlechte Stimmung hat die Gastronomie und die Hotellerie nicht oder noch nicht getroffen, wie eine punktuelle Umfrage zeigt. Die Sorell Hotels mit 16 Stadt- und Ferienhotels vermelden einen sehr guten Buchungsstand. Die Remimag Gastronomie AG mit Sitz in Rothenburg und 28 Gastrobetrieben führt Umsatzveränderungen auf andere Faktoren wie Wetter, weniger Mice-Geschäfte und mehr Homeoffice zurück.

 

Die gestiegenen Zinsen haben für die Hotellerie eine zweitrangige Bedeutung.

3. Kommt nach Negativzinsen der Zinsschock?
Seit 2015 liegt der Leitzins der Schweizer Nationalbank im Minusbereich. Diese Zeiten scheinen vorbei zu sein. «Die weitere Entwicklung ist jedoch sehr schwierig abzuschätzen und wird in der Schweiz stark abhängen von externen Faktoren wie Preise für Energie und Brennstoffe», sagt Peter Gloor, Direktor der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit. Das es Wucherzinse wie Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre geben wird, glaubt er indes nicht. Der Durchschnittswert hat sich auf 2,26 Prozent eingependelt. «Unter Berücksichtigung einer aktuellen Teuerung von 3,4 Prozent ist damit der reelle Zins jedoch immer noch negativ», sagt er. Dass Hotels wegen der gestiegenen Zinsen in die Bredouille geraten, glaubt er nicht. Peter Gloor: «Die gestiegenen Zinsen haben für die Hotellerie eine zweitrangige Bedeutung.» Viel tiefgreifender ist, in welchem Umfang sich die Zunahme der Kosten im Betrieb auswirken.

 

Wir sind quasi die Malediven der Alpen, etwas teurer, jedoch jeden Franken wert.

4. Wo ist zurzeit der ideale Quellmarkt?
Die Inflationsraten in den meisten europäischen Staaten sind deutlich stärker gestiegen als jene in der Schweiz. Hinzu kommt der schwache Euro. Die potenziellen Touristen haben weniger Geld im Reiseportemonnaie, und die Schweiz ist erst noch teurer geworden. Martin Nydegger von Schweiz Tourismus geht in die Offensive: «Wir sind quasi die Malediven der Alpen, vielleicht etwas teurer, jedoch jeden Franken wert.» Das Hochpreisland Schweiz müsse deshalb weiterhin überzeugen, mit der weltbesten Gastfreundschaft, Qualität und nachhaltigen Zusatzleistungen wie etwa Gratis-ÖV. In welchen Märkten sollte man jetzt fischen? Die Zielgruppe lasse sich nicht an einer Nation festmachen. «Es eine Frage der Begeisterungsfähigkeit», sagt der oberste Schweizer Tourismusdirektor, «Man muss die Gäste aufspüren, welche die Schweiz so sehr lieben, dass der Preis zweitrangig ist.»

 

Die Kunden von 2- und 3-Sterne-Hotels und einigen 4-Sterne-Häusern sind preissensibel.

5. Der richtige Moment für eine Preiserhöhung?
«Es ist nie der richtige Moment», sagt Rainer Willa von der Firma Hotelpartner Yield Management. Deshalb sei es bei der Analyse angebracht, nach Kundensegment und Hotelkategorie zu unterscheiden. Im Segment der 4- bis 5-Sterne-Hotellerie verkehrten Gäste, die weniger bis gar nicht preissensibel seien. «Diese Hotels werden es einfacher haben, steigenden Kosten weiterzugeben», so Willa. Schwieriger werde die Preiserhöhung in anderen Hotels. «Die Kunden von 2- und 3-Sterne-Hotels sind preissensibel», weiss er. Sie würden die Preise genau vergleichen. Ausserdem müsse man die Aufwertung des Frankens berücksichtigen. Damit seien Ferien für Ausländer in der Schweiz bereits um 10 Prozent teurer. Wenn der Hotelier zusätzlich 10 Prozent Kostensteigerung weitergebe, dann werde der Urlaub um ganze 20 Prozent teurer. «Dann werden einige ausländische Kunden auf andere Destinationen ausweichen», sagt er.

 

Die Österreichische Hoteliervereinigung in der Steiermark fordert politische Unterstützung bei Energiebeschaffung.

6. Subventionen für die Hotellerie?
In den Nachbarländern sollen Subventionen die Inflation abschwächen. In Deutschland wurde ein sogenannter Tankrabatt eingeführt. Während der Monate Juni, Juli und August reduzierte die Regierung die Steuer und die Mehrwertsteuer auf Benzin und Diesel und senkte damit indirekt die Preise. Ökonomen sehen darin einzig einen politischen Nutzen. Die Stimmung hebt sich. Ökonomisch sinnvoll sei es nicht. Trotzdem fordert auch die Österreichische Hoteliervereinigung in der Steiermark politische Unterstützung bei der Energiebeschaffung. In der Schweiz gibt es laut HotellerieSuisse wegen tieferer Inflationsraten aktuell keinen politischen Handlungsbedarf. Preisobergrenzen würden den Markt verfälschen und den Anreiz für Betriebe reduzieren, die Kostenstruktur zu analysieren und sich anzupassen. Die Bekämpfung der Inflation liege primär in der Hand der SNB.