Der Auftrag, eine fünftägige Hochzeit zu organisieren, kam in ihrer Zeit auf Mauritius. Claudia Pronk war General Manager des 5-Sterne-Luxus-Resorts «The Grand Mauritian», eines Hotels mit 300 Angestellten. Das Flaggschiff-Hotel der damaligen Starwood-Gruppe war im Besitz einer indischen Familie in Dubai. Die Hochzeit eines Sohns des Hauses stand an.

Pronk war bald klar, dass sie für das Fest 150 zusätzliche Mitarbeitende brauchen würde. «Die Wünsche für die Hochzeit wurden im Vorfeld immer verrückter. Ich fragte mich: Wie schaffen wir das?» Sie habe zunächst keine Ahnung gehabt, woher sie die benötigten weiteren Arbeitskräfte nehmen sollte.

Personal erinnert sich: «Sie sind doch die von der Hochzeit»
Wer Claudia Pronk gegenübersitzt und ihr in der Rooftop-Bar im Hotel Nira Alpina in Silvaplana zuhört, ahnt schon: Es wird gut ausgegangen sein. Pronk spricht stets ruhig, mit einem gewissen Tempo, formuliert diplomatisch und druckreif und kommt nach einem inhaltlichen Exkurs abschliessend auf die Ausgangsfrage zurück.

Das «Nira Alpina», ein 4-Sterne-Superior-Haus, liegt vis-à-vis der Corvatsch-Talstation. Vom Eingang führt eine Treppe abwärts, wie oftmals in Gebäuden am Hang. In der Lobby ist es ruhig – als hätte die Zwischensaison, die erst am 16. Oktober startet, bereits begonnen. Eine Plastik eines Pferds in Lebensgrösse prägt den Raum. Design sei wichtig im Hotel, merkt die 54-Jährige unterwegs zur Dachetage an. Sie achte darauf, dass die ursprüngliche Linie so bleibe wie vorgesehen. In der Bar mit Cheminée und Alpenchic fällt der Blick durch die hohe Fensterfront auf die Landschaft mit Seen und Bergen, die an diesem trüben Tag besonders friedlich wirkt. «Das ganze Haus ist auf diese Aussicht ausgerichtet», sagt Pronk.

Im Verlauf des Gesprächs erzählt sie von der Hochzeit auf Mauritius. Mit etwas Überzeugungsarbeit habe sie den Direktor der lokalen Hotelfachschule für eine besondere Kooperation gewinnen können. Nach kurzem Zögern war dieser bereit, den Schulbetrieb während der Hochzeit zugunsten eines besonderen Einsatzes seiner 80 Lernenden einzustellen. Weitere 70 Mitarbeitende konnte Pronks HR-Verantwortliche von einem Hotel für den Einsatz gewinnen, das kürzlich geschlossen worden war. Ihr war bewusst, dass es lange und anspruchsvolle Arbeitstage würden und dass es galt, dies insbesondere den Hotelfachstudierenden vorgängig klarzumachen.

Frauen im Fokus
In der Hospitality- und Touristikbranche sind Frauen in Führungspositionen noch immer untervertreten. Dennoch haben sich viele von ihnen erfolgreich durchgesetzt. Mit einer Porträtserie (nachzulesen auf htr.ch) rückt die htr hotelrevue diese Frauen ins Rampenlicht und gibt so Einblicke in vielfältige Frauenkarrieren.

Während einer Woche sei die Hochzeit das Tagesgespräch auf Mauritius gewesen, die lokale Zeitung berichtete laufend auf der ersten Seite. Nach geglückter Feier liess Pronk die Namen aller Angestellten abdrucken, die zu dem Erfolg beigetragen hatten, verbunden mit ihrem Dank im Namen des Hotels. Als sie nach ein paar Jahren nach Mauritius zurückkehrte, um in einem Hotel als Managerin einzuspringen, stellte sie fest, dass dort der Anlass in Erinnerung geblieben war. Sie waren doch von dieser Hochzeit, hätten die Mitarbeitenden gesagt. «Da habe ich gedacht, wow, die wissen das noch immer.»

Die erfolgreich gemeisterte Herausforderung bestätigte ihr: Wenn es gelingt, die Beteiligten durch klare und stete Kommunikation ins Boot zu holen, sodass sie sich als Teil des Ganzen fühlen und mitziehen, ist fast nichts unmöglich. Zum Gelingen habe ausserdem beigetragen, dass sie sich nicht zu schade gewesen sei, andere um Hilfe zu bitten. «Ein Mann wäre vielleicht zu stolz dafür gewesen», sagt Pronk. Bis heute sei dies Teil ihres Führungsstils. «Ich muss nicht immer alles am besten wissen, ich sehe das nicht als Schwäche. Manchmal kommen gute Ideen aus dem Team», sagt die gebürtige Niederländerin.

Die Angestellten arbeiten fürs Geld, aber nicht nur
Seit sieben Jahren leitet Pronk das «Nira Alpina» in Silvaplana – ein Haus mit 40 Mitarbeitenden im Sommer und 50 im Winter. Für die erfahrene Managerin ist es das erste Mal, dass sie einen Saisonbetrieb leitet. Pronk versucht, Mitarbeitende dafür zu gewinnen, dass sie mehrere Saisons bleiben, was nicht immer gelingt.

Aus ihrer Sicht hat die Branche viel zu spät erkannt, dass der Mangel an Arbeitskräften Betriebe herausfordert. «Das merke ich auch in Diskussionen im Tal», sagt sie. Pronk engagiert sich in der Tourismuskommission und im Vorstand der Sektion Silvaplana-Sils-Maloja von HotellerieSuisse. Viel zu oft habe sich die Diskussion bloss darum gedreht, wie man mehr Gäste gewinnen könne.

Wertschätzung für das Personal – dies sieht sie als wichtiges Mittel dafür, die Angestellten im Betrieb halten zu können. «Wenn ich Gästen zum Geburtstag gratuliere, kann ich das doch auch beim Personal tun.» Sie ermögliche es Mitarbeitenden auch einmal, während der Arbeitszeit jemanden vom Flughafen abzuholen. Es sei klar, dass die Mitarbeitenden für das Geld arbeiteten, «aber nicht nur». Damit die Angestellten blieben, sei auch der Wohlfühlfaktor in einem Betrieb wichtig.

An ihre Mitarbeitenden stellt sie allerdings auch Erwartungen. Sie werde wohl zuweilen auch als «pingelig» wahrgenommen, wie sie sagt. Mitarbeitende müssten damit umgehen können, dass sie sich in vieles einmische. Wenn es gut laufe, lasse sie viele Freiheiten und achte darauf, den Angestellten Komplimente für das Geleistete zu machen. «Ich verlange viel von meinen Mitarbeitenden, aber auch von mir selbst», sagt Pronk. Wichtig sei es, mit gutem Beispiel voranzugehen. Dies macht sie etwa mit einer Runde zum Abendessen durchs Restaurant, um mit den Gästen im Kontakt zu sein. «Meine Freundinnen aus der Hotelfachschule sagen, dass ich zu viel arbeite.»

Pronk wirkt im Gespräch stets positiv und begeistert. Nur einmal verdüstert sich ihre Miene kurz, als sie sagt, dass sie mit unmotivierten Leuten nicht gern zusammenarbeite.

Ihr Mann hat sich bei Jobangeboten im Ausland angepasst
Ihre Leidenschaft für den Job bedeute, Kompromisse im Privatleben eingehen zu müssen. «Es braucht einen Partner, der das versteht.» Als sie die Chance bekommen habe, in Mauritius das «Grand Mauritian» zu eröffnen, sei ihr Mann einfach mitgekommen, vorerst ohne konkretes Jobangebot. Der IT-Spezialist habe aber dann bald vor Ort Arbeit gefunden. «Er musste sich anpassen», sagt Pronk. Für das Ehepaar aus den gesellschaftlich liberalen Niederlanden war dies kein grosses Ding.

Etwas weniger Verständnis für ihre berufliche Leidenschaft bringe der inzwischen 15-jährige Sohn auf. «Er denkt, dass man seine ganze Energie dem Sport widmen sollte», so Pronk. Vor Kurzem sei er nach Davos gezogen, weil es dort eine U-17-Elite-Eishockeymannschaft gebet.

Dabei ist Pronk selbst auch sportlich ambitioniert. Im Sommer läuft sie mehrmals pro Woche «eine Runde», womit sie eine Strecke von rund zehn Kilometern meint. Mitte August nimmt sie jeweils am Engadiner Sommerlauf über 25,5 Kilometer teil. Diesmal habe sie zwar nicht genug trainiert, doch es habe gereicht, um den Willen aufzubringen, durchzuhalten. Wenn sie entlang der Strecke viele bekannte Leute aus dem Tal sehe, die sie anfeuerten, sei das sehr cool. Und sie sage sich dann: «Aufgeben ist keine Option.»

Auch im Lauf ihrer Karriere habe sie nicht immer Gewissheit gehabt, dass sie das Ziel erreichen würde. So wundere sie sich bis heute, dass die Verantwortlichen am Hauptsitz der Hotelgruppe damals gerade ihr die Aufgabe übertragen hatten, das «Grand Mauritian» zu eröffnen – schliesslich habe sie so etwas zuvor noch nie gemacht. «Sie hätten mir ja auch ein etabliertes Hotel übergeben können.» Die Aufgabe sei interessant, aber auch schwierig gewesen. «Es hätte schief gehen können.» Später habe sie denn auch bei Gelegenheit nachgefragt, ob man nicht befürchtet hätte, dass sie es verbocken könnte. Der Vice President of Operations habe ihr daraufhin gesagt: «Wir wussten, du machst das schon.»
 


Steckbrief

Name: Claudia Pronk

Alter: 54

Beruf: Hoteldirektorin

Was ich mag: Wenn Leute eine Passion haben und sich nicht vom Weg abbringen lassen

Was ich nicht mag: Mit unmotivierten Leuten arbeiten

Was ich werden wollte: Tierärztin

Was ich verpasst habe: Mehr Zeit mit meiner Familie und den Eltern zu verbringen

Darüber muss ich lachen: Wir erleben immer wieder komische Situationen mit den Gästen, über die wir hinter den Kulissen lachen können.

Auf diese Eigenschaft könnte ich verzichten: Dass ich die Dinge manchmal persönlich nehme; das ist wohl die Kehrseite des Perfektionismus.

Im nächsten Leben werde ich: Anwältin. Das finde ich auch sehr interessant.