Reto Invernizzi, wie geht es Ihnen, Ihrer Familie und Ihrem Team, drei Wochen nach der Sturzflut, welche das Hotel Landgasthof Kemmeriboden Bad stark beschädigte?
Der erste Schock ist vorbei, aber sicher noch nicht überwunden. Wir blicken aber alle nach vorne. Sagen wir es so: Der Kopf funktioniert, aber es tut uns allen immer noch im Herzen weh, was hier passiert ist. Das Unwetter hat ein Stück der mehreren hundert Jahre alten Kemmeriboden-Bad-Geschichte genommen. Ich spüre aber, und das ist schön, dass die Ehrfurcht gegenüber unserem Haus und der Geschichte unserer Familie sehr gross ist. Entsprechend gross war und ist die Solidarität, die uns entgegengebracht wird.

Spürten Sie auch innerhalb der Branche eine Solidaritätswelle?
Sehr! Wir erhielten Angebote von Hoteliers, die beim Aufräumen mithelfen wollten. Ein Kollege von mir, hütete sogar mein Telefon, damit ich mich auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren konnte. Wir spüren eine riesengrosse Anteilnahme unter unseren Kolleginnen und Kollegen.

Was geschah in den letzten drei Wochen, seit dem Unglück?
Die Aufräum- und Abbrucharbeiten dauern an. Das Schadensausmass ist um einiges grösser, als bislang angenommen. Wir haben das komplette Unter- und Erdgeschoss bis auf den Rohbau verloren und damit die wichtigste Infrastruktur eines Hotel- und Restauranbetriebs. Um dies wieder aufzubauen plant man normalerweise mindestens zwei Jahre. Wir müssen dies in wenigen Wochen machen. Wir haben dafür ein sehr grosses Architekten-, Planer- und Ingenieurteam aufgefahren. Aber mit unserer Familie und unserem Team werden wir es schaffen.

War das Haus einsturzgefährdet?
Diese Befürchtung hat sich nach einer eingehenden Prüfung glücklicherweise nicht bewahrheitet.

Wie gross ist der finanzielle Schaden?
Noch können wir dazu keine Angaben machen.

Wir sind eine grosse Familie und stehen zusammen.

Reto Invernizzi, Gastgeber Hotel Landgasthof Kemmeriboden Bad

Wann wollen Sie wieder eröffnen?
Zum jetzigen Zeitpunkt streben wir eine Teilöffnung an. Wann das sein wird, wissen wir noch nicht. In einem Hotel braucht es immer auch Emotionen – vom Gastgeber und bei den Gästen. Dies neben einer laufenden Baustelle hervorzurufen, führt wohl eher zu Zielkonflikten. Dieses Jahr wäre eine Wiedereröffnung sehr sportlich angedacht. Auch – und das ist nicht zu unterschätzen –, wegen der Lieferverzögerungen, mit denen wir rechnen müssen. Wir wollen schliesslich qualitativ hochwertig investieren, um den Betrieb eines Tages an die nächste Generation – unsere Kinder – weiterzugeben.

Nebst der familiären Verpflichtung stehen Sie auch in Verantwortung gegenüber Ihren 70 Mitarbeitenden. Können sie alle weiterbeschäftigt werden?
Wir sind eine grosse Familie und stehen zusammen. Für die Lernenden haben wir bereits Anschlussmöglichkeiten gefunden, damit sie ihrer Ausbildung weiterhin nachgehen können. Einmal mehr wurde uns bewusst, wie wichtig die Betriebsausfallversicherung ist. Dies ermöglicht uns, die komplette Brigade zu behalten. Ihr Lohn ist bis zur Wiedereröffnung gesichert. [RELATED]

Bereits ist klar, dass Sie sich nicht nur auf den Wiederaufbau sondern auch auf eine Zwischenlösung konzentrieren. Was ist geplant?
Wir erhielten unglaublich viele Angebote von Gastronomie- und Beherbergungsbetrieben, die unsere Mitarbeitenden zwischenzeitlich übernehmen wollten oder uns gar die Betriebsleitung übergeben wollten. Unser Fokus bleibt aber hier vor Ort. Zwischenzeitlich werden wir im Bistro Franc inThun eine Pop-up führen. Das Kemmeriboden Bad wird ab dem 3. August sozusagen «z Gascht ir Stadt» sein. Uns ist auch wichtig, dass wir unsere lokalen Partner von hier mit in die Stadt nehmen. Die wirtschaftliche Bedeutung, die Wertschöpfung des Hotels Landgasthof Kemmeriboden Bad für dieses Tal – wir generierten jährlich rund 18'000 Logiernächte – muss während der Wiederaufbauphase erhalten bleiben.

Ist ein solches Pop up auch vor Ort in Schangnau geplant?
Tatsächlich ja. Wenn immer möglich bereits zu den Herbstferien. Dass der Hotelbetrieb aber nicht möglich sein wird, versteht sich von alleine.

Was legen Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen aus der Branche in weiser Voraussicht auf ein Unglück ans Herz?
Nehmt die Hilfe an! Mein dicker Emmentaler Schädel liess die Hilfe nicht auf Anhieb zu. Mittlerweile bin ich gescheiter. Der Zusammenhalt hilft, erfolgreich durch die Krise zu kommen.