Viel Zeit bleibt Simon Spiller derzeit nicht: Der Umbau des Grand Hotel Hof Ragaz läuft auf Hochtouren, während er sich gleichzeitig in seine neue Rolle als General Manager des Grand Resort Bad Ragaz einarbeitet. Für ein Interview nimmt er sich dennoch Zeit. General Manager und Gastgeber Spiller ist einer, der zuhört, bevor er antwortet.
Was war Ihr allererster Ferienjob?
Mein Vater hatte ein Baugeschäft. Dort habe ich in den Sommerferien geholfen, Parkettböden zu verlegen. Es war ein sehr harter Job, jedoch lehrreich und eine schöne Abwechslung zum Schulalltag.
Haben Sie auch mal in einem Luxushotel Böden verlegt?
Nein, dazu kam es nicht.
Wie kamen Sie dann zur Luxushotellerie?
Meine Geschwister und ich wurden einmal von meinem Onkel ins «Suvretta House» in St. Moritz eingeladen. Dort haben wir uns im Swimmingpool ausgetobt (schmunzelt). Das ehrwürdige Grand Hotel hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Vielleicht war das der Auslöser. Doch die Wurzeln reichen weiter zurück: Meine Grosseltern führten ein Restaurant in der Ostschweiz. Mein Grossvater stand am Herd, meine Grossmutter war die Gastgeberin. So wurde mir die Welt der Gastfreundschaft früh vertraut.
Was finden Sie an der Luxushotellerie faszinierend?
Die Vielfalt. Kein Tag gleicht dem anderen. Es sind die Begegnungen mit Gästen und Mitarbeitenden, die unsere Arbeit so besonders machen.
Was macht diese Vielfalt spürbar?
Ein Grand Hotel oder ein Luxusresort ist wie ein kleiner Kosmos, der in ständigem Wandel ist. Unsere Aufgabe ist es, ein Gespür dafür zu haben, welche Veränderungen wir vornehmen müssen, um den Ansprüchen unserer Gäste gerecht zu werden.
Was sind die neusten Trends?
Es gibt drei Megatrends: Gesundheit, Rückzug und Experiences.
Gäste suchen Orte, an denen sie sich erholen und gleichzeitig etwas für ihr Wohlbefinden und für die Prävention tun können.
Bitte erklären Sie die drei Megatrends.
Bei der Gesundheit geht es um einen ganzheitlichen Ansatz, von Ernährung über Sport bis zu Entspannung, um etwas für die eigene Gesundheit zu tun. In dieselbe Thematik spielt das Bedürfnis nach Rückzug. Aufgrund der ständigen digitalen Erreichbarkeit steigt der Wunsch nach Ruhe, Authentizität und Rückzug. Hotels müssen Räume schaffen, in denen sich Gäste wirklich entspannen und abschalten können.
Und was meinen Sie mit «Experiences»?
Authentische, naturverbundene Erlebnisse ersetzen zunehmend materiellen Luxus. Gäste suchen nach einmaligen Momenten in intakter Natur. Das kann eine Wanderung in der Tamina-Schlucht sein.
Was möchten Sie in Bad Ragaz bewegen?
Ich möchte dazu beitragen, die über 150-jährige Geschichte des Grand Resorts weiterzuschreiben.
Werden Sie bitte konkreter.
Innerhalb des Grand Resort Bad Ragaz konzentrieren wir uns derzeit auf das Erdgeschoss im Grand Hotel Hof Ragaz. Wir stecken mitten in der Planung, um die Innenarchitektur des Erdgeschosses aufzufrischen und das Angebot grundlegend zu überarbeiten. Ziel ist es, unseren Gästen neue Konzepte und Erlebnisse zu ermöglichen.
Was meinen Sie mit Erlebnissen?
Wir möchten einen Ort schaffen, der Menschen jeden Alters berührt, einen Kraftort, der Generationen verbindet. In Bezug auf die Neuorientierung der Kulinarik geht es um eine holistisch Experience, wo alle Aspekte eines Restaurantbesuches berücksichtigt werden. Dies betrifft Musik, Kunst, Licht, Design, das Essen selbst, der Service, der zwischenmenschliche Kontakt. Wir wollen unsere Gäste eintauchen lassen in eine Atmosphäre, wo das Erlebnis im Mittelpunkt steht. Daher legen wir grossen Wert darauf, dass sich die beiden Restaurants essenziell voneinander unterscheiden.
Können Sie ein Beispiel nennen, wie Sie Gäste emotional erreichen wollen?
Ein zentrales Beispiel ist die persönliche Begegnung. In einer zunehmend digitalisierten Welt setzen wir gezielt auf echte, zwischenmenschliche Momente. Dauerhafte Präsenz, gutes Zuhören sowie eine gute Auffassungsgabe sind essentiell. Aber auch wohlgemeinte Emotionen gegenüber dem Gast sind gewünscht. Exzellenter Service vereinbart die konsistente Einhaltung der Top-Standards und emotionale Menschlichkeit.
Nahaufnahme
Frühstart
«Morgens stehe ich um 05:15 auf und beginne den Tag mit Sport.»
Reiseerinnerung
«Auf meiner letzten Reise habe ich mit meiner Familie eine Woche an der Algarve verbracht. Die Küste, das Licht, die Küche: alles inspirierte und wirkte in sich stimmig.»
Ideenquelle
«Die besten Ideen finde ich unterwegs, am liebsten auf Wanderwegen in den Schweizer Bergen.»
Zu einer Ihrer ersten grossen Entscheidungen gehört die Schliessung des Igniv von Andreas Caminada im nächsten Jahr. Weshalb?
Diese Entscheidung hängt eng mit unserer Vision 2035 und im Zusammenhang mit der kulinarischen Neuausrichtung zusammen, die wir im Rahmen der Erneuerung des «Hof Ragaz» umsetzen. Wir rücken unsere eigenen Restaurants künftig ins Zentrum.
Sie sprechen gegenüber 20 Minuten von Lizenzkosten, die damit nicht mehr aus dem Grand Resort Bad Ragaz abfliessen. In welcher Höhe im Vergleich zum Umsatz lagen sie?
Dazu kann ich keine Aussage machen, dies sind vertrauliche Informationen.
Befürchten Sie einen Imageverlust? Sie verlieren mit Andreas Caminada immerhin einen der besten Spitzenköche der Schweiz.
Wir sehen darin keinen Imageverlust, sondern einen konsequenten Schritt. Unser Image entsteht aus der Gesamterfahrung, nicht aus einzelnen gastronomischen Angeboten. Das Fundament unseres Resorts bildet seit jeher das Thermalwasser. Unser übergeordnetes Ziel ist es, das führende Luxury Wellbeing & Healthy Living Resort Europas - mit einem klaren Fokus auf Prävention, Regeneration und personalisierte Medizin. Vor diesem Hintergrund haben wir entschieden. Unsere aktuelle Ausrichtung erfordert eine klare Priorisierung. In diesem Fall bedeutet das, sich auf Konzepte zu konzentrieren, bei denen unsere eigenen Restaurants ihr Potenzial gezielt entfalten können.
Was bedeutet das konkret?
Wir möchten unseren Gästen ein modernes und attraktives Angebot bieten, gehen proaktiv mit dem Wandel mit, ohne unsere Identität zu verlieren. Wir sind und bleiben die Quelle von Gesundheit und Vitalität.
Welche Restaurantkonzepte planen Sie?
Wir eröffnen zwei neue Konzepte. Das grosse Hauptrestaurant wird italienisch – klassisch, aber mit modernem Twist. Daneben entsteht ein Thai-Restaurant, reduziert, aromatisch, echt.
Geht das in Richtung Showküche oder bleibt es traditionell?
Es gibt zwei Showküchen, eine für das italienische und eine für das Thai-Restaurant. Unsere Executive Chef Nadine Wächter bringt langjährige, internationale Erfahrung ein und entwickelt daraus Gerichte, die klar, pointiert und dennoch tief in der ursprünglichen Küche verwurzelt sind.
Wie wichtig ist dabei das Design?
Sehr. Das Grand Resort Bad Ragaz arbeitet eng mit Robert Angell aus London, der Luxushotels wie das The Berkeley gestaltet hat, zusammen. Er bringt nicht nur Eleganz, und Wärme ins Projekt, sondern gibt das Klassische modern wieder. Das passt zu unserer Identität als Grand Resort Bad Ragaz.
Wer übernimmt die Gastroplanung?
Robbie Bargh von der Gorgeous Group. Er versteht es, den ganzheitlichen Aspekt eines Restaurants zu beleuchten und Erlebnisse zu kuratieren, nicht nur Menüs. Er hat das Fritz & Felix im Brenners Park Hotel in Baden-Baden zusammen mit mir entwickelt. Ein Profi.
Welche Summe steht hinter dem Umbau?
Das bewilligte Projektbudget liegt bei 31 Millionen Franken. Es umfasst das gesamte Erdgeschoss des «Hof Ragaz»: zwei Restaurants, ein neuer Art Cube, zusätzliche Parkplätze und mehr.
Das bewilligte Projektbudget liegt bei 31 Millionen Franken.
Ein Art Cube? Was können wir erwarten?
Der Art Cube ist ein neu geplanter Raum im «Hof Ragaz», den wir digital bespielen wollen. Noch sind wir in der Konzeptphase, aber eines der ersten Themen wird wahrscheinlich Wasser sein. Es ist ein Element, das durch die Tamina-Schlucht eine tiefgehende Verbindung zu unserem Ort und Resort herstellt. Denkbar sind Projektionen mit Bild, Licht und Ton, zum Beispiel aus der Tamina-Schlucht. Wichtig ist uns, dass sich der Raum immer wieder verändert, zum Innehalten einlädt und Gespräche auslöst. Ob klassische Kunst einbezogen wird, ist noch offen. Entscheidend ist das sinnliche Erleben.
Was erhoffen Sie sich von den Investitionen?
Wir wollen überraschen. Wir wollen eine entspannte Atmosphäre schaffen, ohne auf Qualität zu verzichten. Die Gäste sollen sich aufgehoben fühlen und Erinnerungen mitnehmen, keine Inszenierungen.
Was ist die langfristige Vision?
Wir befinden uns mitten in einem Umbruch. Mit «Tamina Health» bündeln wir all unsere Gesundheits- und Wellness-Angebote. Weg von reiner Reparaturmedizin, hin zu echter Prävention und Regeneration.
Also mehr Health, weniger Wellness?
Beides, aber integriert und zusammenführend. Unser Thermalwasser bleibt zentral – jetzt aber als Teil eines ganzheitlichen Konzepts für Long Life Health. Wir wollen nicht nur Luxus bieten, sondern nachhaltige gesundheitliche Veränderungen.
Was heisst das für die Zukunft des Resorts?
Unsere Vision heisst GRBR 2035. Wir wollen Europas führendes Luxury Wellbeing & Healthy Living Resort werden – mit Tiefgang, Stil und Exzellenz. Und dafür legen wir jetzt die Basis.
Zur Person
Geboren in Luzern, ist Simon Spiller ein international erfahrener Hotelier mit über 25 Jahren Berufserfahrung. Nach der Kochlehre im Hotel Palace Luzern studierte er an der École hôtelière de Lausanne und absolvierte später ein Executive MBA in Finance & Management an der Université de Lausanne.
Seine Karriere führte ihn unter anderem zu Four Seasons, Raffles, Fairmont und GHM Hotels, mit Stationen in New York, Berlin, Dubai, Bali und Baden-Baden. Seit 2019 leitete er das Hotel Eden Roc in Ascona, das mehrfach als bestes Ferienhotel der Schweiz ausgezeichnet wurde. Im März 2025 übernahm er die Leitung des Grand Resort Bad Ragaz.
Spiller ist verheiratet, Vater eines Sohnes und sportlich aktiv.
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