Noch immer sind viele Destinationen überzeugt, ein breites Angebot über alle Themen hinweg abdecken zu müssen. Besonders im Sommertourismus halten sie daran fest, es allen recht machen und alle Bedürfnisse befriedigen zu wollen. Dabei verwässern sie ihr Profil und riskieren, am Ende niemandem wirklich gerecht zu werden.
Vielversprechender und ehrlicher wäre es, wenn sie sich auf ihre Stärken konzentrieren und klar auf eine Zielgruppe fokussieren würden – etwa auf Wanderinnen, Mountainbiker, Golferinnen oder Kulturinteressierte. Dann wüssten die Gäste, was sie erwartet, und fänden im Idealfall auch ein entsprechendes Angebot in hoher Qualität vor. Eine klare Positionierung schliesst selbstverständlich nicht aus, dass beispielsweise auch Bikerinnen in einer Wanderdestination willkommen sind. Sie macht nur klar, wo die Prioritäten einer Tourismusregion liegen.
Eine Destination sollte sich genau überlegen, welches ihre Qualitäten sind, und nicht einfach kurzfristigen Trends hinterherjagen. Dabei spielen die vorhandenen Infrastrukturen ebenso eine Rolle wie die natürlichen Voraussetzungen. Was ist die DNA einer Region? Wofür schlägt ihr Herz? Wo liegen ihre touristischen Wurzeln? Ist der Fokus einmal definiert, kommt der schwierigste Teil der Übung: Die ganze Destination muss sich hinter die Positionierung stellen – von den Bergbahnen über die Hotellerie bis hin zum lokalen Gewerbe. Nur wenn alle Beteiligten überzeugt und mit Begeisterung mitziehen, kann der Funke auf die Gäste überspringen.
Eine Destination sollte nicht einfach kurzfristigen Trends hinterherjagen.
Diese Strategie greift nur, wenn sie von einem stimmigen Angebot getragen wird. Ist das nicht der Fall, führt selbst das beste Marketing ins Leere – und die Gäste bleiben aus. Für eine Wanderdestination bedeutet dies in erster Linie natürlich ein gut ausgebautes Wegnetz mit vielfältigen und spannenden Routen. Dafür sorgen die kantonalen Wanderweg-Fachorganisationen zusammen mit dem Verband Schweizer Wanderwege. Doch das allein reicht nicht: Damit sich Wanderinnen und Wanderer wirklich ernst genommen und willkommen fühlen, braucht es das Commitment der ganzen Destination. So gilt es beispielsweise, die Betriebszeiten der Bergbahnen konsequent an den Bedürfnissen der Wandernden auszurichten – und bei kühler Witterung vielleicht sogar Wolldecken am Sessellift abzugeben. Auch das Hotelpersonal sollte kompetent Auskunft geben können und passende Wandertipps parat haben.
Der Aufwand zahlt sich aus. Die klimabedingt verlängerte Sommersaison und die demografische Entwicklung eröffnen Chancen für den Sommertourismus: Ältere Generationen sind heute länger aktiv und verfügen über Zeit und Geld für ausgedehnte (Wander-)Ferien. Es braucht Mut, aber eine klare Fokussierung lohnt sich in jedem Fall!
Michael Roschi ist Geschäftsleiter bei Schweizer Wanderwege.
