Visitenkarte
Hotelname: Alpengold Hotel
Ort: Davos
Klassifikation: 5 Sterne
Architekt: Oliver Hofmeister, Oikos München
Baujahr: 2013
Investitionssumme: 150 Millionen Franken
Anzahl Zimmer und Suiten: 191 Zimmer und 25 Suiten
Zimmerkosten: 320 bis 4980 Franken.
Auslastung: keine Angaben
Umsatz: keine Angaben
Zielgruppe: Leisure (Schneesport, Bike, Familien), Business (Kongresse und WEF)
Restaurants & Bars: Sapori, La Muña, Cheese Factory, Atelier Vert (Pop-up), Nuts & Co Bar, Le Fumoir
Gastgeber: Mario Gubi
Besitzer: Aevis Victoria SA (Fribourg)
Management: Michel Reybier Hospitality
Anzahl Mitarbeitende: Sommer 90, Winter 200
Öffnungszeiten:  Individualgäste: Dezember–März, Juli–September, Business: ganzjährig

Was für ein Kontrast. Von der Strasse zum Flüelapass aus fällt linker Hand der Blick zunächst auf eine Pension, ein traditionelles Bündnerhaus mit Giebeldach und Holzfassaden-Anbau. Dahinter, wie vom Himmel gefallen – symmetrisch, abgerundet, prall und auch schlicht – das Alpengold Hotel.

Sahen Raumschiffe in Science-Fiction-Familienfilmen der 80er-Jahre so aus? Die feine Oberflächenstruktur des Bauwerks erinnert allerdings an ein Geflecht. Bienenkorb? Curlingstein? Flachgedrückter Golfball? Alles von dem scheint ein Stück weit zu passen, funktioniert als Vergleich aber doch nicht. Und was ist mit dem Material? Auch wenn die Fassade metallisch schimmert, auch wenn man solche exakten Krümmungen von Düsenjets her kennt – ein Gebilde mit solchen regelmässigen Ausstanzungen kann doch nur aus Holz sein.

Mit dem Gebäude verhält es sich wie mit guter Kunst – so schnell wird ein Betrachter damit nicht fertig. Nach einem ersten Versuch, dessen Form zu erfassen und zu deuten, ist nur gerade so viel klar: In ganz Davos sind Häuser eckig, das Alpengold ist rund.

Wie Schuppen vom Zapfen
Ein asphaltiertes Strässchen zweigt von der Flüelapassstrasse ab, vor einem baumbewachsenen Felsen weist das Hotellogo auf einer grossen Tafel den Weg. Das Strässchen windet sich den Berg hoch. Wieso es «Basler Strasse» heisst, wird erst später klar werden. Weiter oben rücken zwei lang gezogene Gebäuderiegel in den Blick. Es sind Eigentumswohnungen, die zum Ensemble gehören. Vor diesen scharfkantigen, liegenden Quadern wirkt der Bau dahinter umso organischer, weicher, runder. Es scheint zugleich auch so, als ob die Gestalter die Anbindung ans Dorf gesucht hätten, den Übergang schaffen wollten zwischen dem rechtwinkligen Davos und dem – Ei.

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Jetzt ist es raus. Der Volksmund nennt das Hotel «Goldenes Ei». Und Gastgeber Mario Gubi (43) hat überhaupt kein Problem. «Wir gehen sehr offen damit um», sagt der General Manager beim Gespräch in der Hotelbar Nuts & Co. Ein Tannzapfen sei die eigentliche Idee der Architekten vom Münchner Büro Oikos gewesen. Durch die diagonal verlaufenden Bänder auf der Fassade kann man in der Tat das Äussere als eine geschuppte Struktur lesen.

Seit dem Besitzerwechsel noch stärker Familen angesprochen
Der gebürtige Österreicher wohnt seit Jahren in Davos. Er arbeitete schon fürs Hotel, als es noch «Intercontinental» hiess. 2017 wurde er Hotel Manager und übernahm zwei Jahre später als General Manager die Leitung.

Seit das Hotel 2020 in neue Hände überging, steht das Hotel unter dem Management der Michel Reybier Hospitality. Seither hat es sich stärker auf Familien ausgerichtet, erklärt Gubi bei einem Rundgang durchs Haus. Der Kids Club erhielt mehr Platz, draussen vor dem Eingang ist der Spielplatz gewachsen. Im Teens Club «Sixteenhundred» können Jugendliche ab 12 Jahren Billard oder Tischfussball oder Computergames spielen. Filme gibt es im eigenen Kino mit Sofa-Sitzreihen. Das Hotel richtet sich aber auch beim Zimmerangebot auf Familien aus. Das angrenzende Zimmer für die Kinder bekommen Eltern zum halben Preis.

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Und natürlich richtet sich das Hotel auch an Gäste, die sich durch das herausragende Design angesprochen fühlen. Viele Besucherinnen und Besucher seien beim Betreten des Hotels überrascht. «Sie erwarten eine Innenarchitektur, die dem futuristischen Äusseren entspricht», sagt Gubi. Im Innern wirkt alles wärmer, klassischer, natürlicher. Naturstein und Holz auf Böden und Wänden knüpfen an die alpine Umgebung draussen an. Silver-Gray heisst der indische Stein, der in der Lobby und im Untergeschoss den Boden bedeckt und der tatsächlich edel silbrig-grau schimmert. Beige-Braun ist die Wandverkleidung aus Walnussholz aus den USA. Im Kunstkonzept herrscht das Thema Natur vor. Teppiche und Bilder an Wänden zeigen explizit Teile von Pflanzen. 28 Meter lang ist der Leuchter von Moritz Waldemeyer aus unzähligen Glaskugeln. Die Installation soll an eine Schneewehe erinnern.

Die Journalisten haben sich auf jeder Etage umgeschaut.
Mario Gubi, General Manager Alpengold Hotel

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Halb saisonaler Betrieb
Ende September klingt im Alpengold Hotel die Sommersaison aus. Es bleiben wenige Tage, bis das Hotel für die Leisure-Gäste schliesst. Kids Club und Teens Club stehen leer. Eine chinesische Reisegruppe füllt beim Frühstück den Speisesaal. Nach dem Bau 2013 war das Hotel noch ganzjährig in Betrieb. Doch das ging laut Gubi nur ein Jahr lang so. Heute verfolgt das «Alpengold» eine Art Hybrid-Strategie: In der Zwischensaison bleibt das Haus für Leisure-Gäste geschlossen. Unternehmen können einen Teil der Zimmer oder auch das ganze Hotel mieten für Events. Gemäss Gubi nutzen dies insbesondere in den Monaten Mai und Juni sowie Oktober und November viele Firmen. Während dieser Zeit können sie dann auch im Hotel ein eigenes Branding verwenden.

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Auch das Weltwirtschaftsforum WEF ist fürs Hotel sehr wichtig – und auch herausfordernd. «Wir müssen uns dann um mehrere Kunden gleichzeitig kümmern», sagt Gubi. Dass die Massnahmen der US-Security dann allerdings die Bewegungsfreiheit der Gäste im Hotel einschränkten, stimme nicht, sagt Gubi. «Für die Sicherheit ist ausschliesslich die Schweizer Polizei zuständig.» Und was ist dran an dem Gerücht über die geheime Etage im Hotel für den US-Präsidenten? «Ich habe sie bis heute nicht gefunden», sagt Gubi lapidar. Dass der «Blick» darüber auf einer Doppelseite berichtete, sei beste PR gewesen fürs Hotel. «Die Journalisten waren hier. Sie gingen die Treppe rauf und runter und haben sich auf jeder Etage des Hotels umgeschaut.»

«Nach wie vor Winter-Destination»
Das zehnte Stockwerk ist die oberste Etage. Hier befindet sich das peruanisch-japanische Restaurant La Muña. Im Winter ist es geöffnet, im Sommer ist das Lokal ab 17 Uhr eine Bar. Auch das Pop-up-Restaurant Atelier vert ist nur im Winter in Betrieb. «Davos ist nach wie vor eine Winterdestination. Wir haben zu viele Restaurants für den Sommer», sagt Gubi. Geschätzte 70 Prozent der Gäste reisen in der kühlen Saison an. Seit knapp drei Jahren ergänzt die «Cheese-Factory» das Restaurant-Angebot. Anstatt eines Chalets oder eines umgenutzten Stadels essen Gäste in einem Plexiglastubus auf der Terrasse in der Nähe des Hauptrestaurants Sapori. Dieses serviert italienische Gerichte.

Wir haben zu viele Restaurants für den Sommer.
Mario Gubi, General Manager Alpengold Hotel

Exakt nach Süden ausgerichtet
Wer auf dem Balkon eines Zimmers steht und auf die mattgolden schimmernde Gebäudehülle klopft, kann sich überzeugen: Sie ist nicht aus Holz, sondern aus Metall. Tatsächlich hatte Architekt Oliver Hofmeister zunächst eine Konstruktion aus Holz erwogen, verwarf die Idee dann aber aus Brandschutzgründen zugunsten von Stahl. Aus fast 800 verschieden geformten Elementen setzt sich die Gebäudeverkleidung zusammen. Der Fassadenbauer Seele in Gersthofen bei Augsburg produzierte das komplexe Puzzle. Stück per Stück kamen die Teile auf der Strasse in die Schweiz.

Auf dem Balkon zeigt sich auch: Die Sonne hat hier auch Ende September Kraft. An einem sonnigen Tag fühlt es sich auf nicht ganz 1600 Meter über Meer wie Sommer an. Das kommt nicht von ungefähr. Der Bau von 2013 hat seine Ausrichtung nach Süden von der Basler Höhenklinik übernommen, die früher hier stand und den Einwohnern der Stadt am Rhein zur Verfügung stand. Heute erinnert daran mindestens der Name der Zufahrtsstrasse zum Hotel. Die damaligen Kurgäste mussten draussen auf der Terrasse an der frischen Luft sitzen – auch im Winter, bei Minustemperaturen, wie General Manager Gubi erzählt. Dank der Ausrichtung des Gebäudes nach Süden war das eher erträglich. Während das Sanatorium früher explizit für die weniger gehobenen Bevölkerungsschichten geschaffen worden war, bietet das Alpengold Hotel 5-Sterne-Komfort für ein zahlungskräftiges Publikum. Die Sonnenstrahlen wärmen früher wie heute.


Fachbeitrag

Hotels sind mehr als Zweckbauten zum Übernachten

Funktionalität wird in der Hotellerie vorausgesetzt; erst das Gebäude und das Raumerlebnis sorgen für den Unterschied. Für die Differenzierung der Hotels ist die Bedeutung der Architektur und Ausstattung deshalb gross.

Bei einem Hotel, das am Hauptbahnhof oder beim Flughafen liegt, steht Zweck und Funktionalität im Vordergrund; die Atmosphäre verliert an Bedeutung. Aber selbst hier macht die bewusst gewählte architektonische Linie einen Unterschied, denn welcher Gast will nicht in einer möglichst stimmigen Umgebung aufwachen. [IMG 2]

Ehemalige Bergstation: Hotel als James-Bond-Kulisse
Das auf über 2000 Meter über Meer gelegene Hotel Chetzeron oberhalb von Crans-Montana zieht diesbezüglich alle Register und nutzt das Gebäude einer ehemaligen Bergstation einer Gondelbahn: Der ursprüngliche Zweck des Baus wurde komplett verändert. Im Zusammenspiel mit der Lage, dem Gebäude und der Architektur wurde ein spektakuläres Hotelerlebnis – eine James-Bond-Kulisse – geschaffen. Dieser Betrieb arbeitet stark mit dem stimmungsvollen Raumerlebnis; nicht der Zweck, sondern die Architektur ist hier dominierend. 

Die Ausgangslage für die Beherbergungsbetriebe ist aber meistens nicht schwarz oder weiss, und viele Hotels setzen sich mit der Ausrichtung «Design» oder «Boutique» auseinander. Die Frage dabei ist, was der Gast von einem Hotel, welches sich mit diesen Begriffen schmückt, erwartet. Zusammen mit Experten hat dies die Schweizer Hotelklassifikation diskutiert, in Kriterienkataloge zusammengeführt und Spezialisierungskategorien geschaffen, welche jeweils von einer Expertenjury beurteilt werden. 

Designhotel: Ohne stringente Linie geht es nicht
Designhotels verschreiben sich einer bestimmten Stilrichtung. Dem 3-Sterne-Superior-Betrieb Arnica in Scuol ist das vorbildlich gelungen: Der Ellipsenbau fühlt sich wie ein UFO an, das an seinem Bestimmungsort gelandet ist und sich dem Arvenholz seiner Umgebung angepasst hat. Markant, anders und doch sehr stimmig. Die äussere Wahrnehmung wird dann in allen Innenräumen bis in die Details durchgezogen. Womit ein weiterer zentraler Punkt eines Designhotels erfüllt wird, nämlich die konsequente Detailpflege der ausgewählten Stilrichtung des Hauses. Damit wird ein durchgehendes Raumerlebnis geschaffen, das nie gewöhnlich ist. Auf den Standort bezogen sind Designhotels häufig ein architektonischer Kontrapunkt, fügen sich aber, als Ikone oder als stiller Aussenseiter, auf eine spannende Art und Weise in die nahe Umgebung ein.  

Boutique-Hotellerie: Wie bei privatem Gastgeber
Boutique-Hotels sind meist klein und immer individuell. Eines der wichtigen Merkmale dieser Hoteltypen ist es deshalb, dass sich die Zimmer innerhalb des Hauses unterscheiden. Das konsequente Durchziehen der Linie, wie im Designhotel erwartet, widerspricht dabei dem Boutique-Gedanken: Hier sollen Bücher, Bilder, Möbel, Tapeten et cetera suggerieren, dass man sich bei einem privaten Gastgeber einquartiert hat. Die Interpretation der Einrichtung kann sich dabei von einem eigenen ästhetischen Gefühl leiten lassen. 

Kitsch oder Antiquität; alles hat Platz, wenn es denn im Ensemble als ganzheitliche Idee wahrgenommen wird. Ein Boutique-Hotel kann in allen Gebäudearten inszeniert werden. Sowohl im Altstadtbau, im ehemaligen Fabrikationsgebäude oder im traditionellen Holzhaus kann das Boutique-Hotel-Feeling erzeugt werden. Diese Hotels sind also nie gleich. Das Hotel Helvetia in Zürich und das Romantikhotel Bären Dürrenroth beispielsweise unterscheiden sich in Lage, Gebäude und Einrichtungsstil: Ihr gemeinsamer Nenner ist die Individualität und die Authentizität.

Investion im Verhältnis zum erwarteten Ertrag
Welche Atmosphäre und architektonische Identität auch immer erzeugt werden soll: Vor der Umsetzung von Umbauten oder Neubauten ist es zentral, sich mit der Makro- und Mikrolage und mit dem bestehenden Gebäude auseinanderzusetzen, denn patentierte Erfolgsrezepte für eine bestimmte Ausrichtung gibt es nicht. Zudem muss die Höhe der Investition immer durch den künftig möglichen Ertrag gerechtfertigt werden.

Daniel Beerli ist eidg. dipl. Hotelier, Immobilienbewerter und Leiter der Schweizer Hotelklassifikation bei HotellerieSuisse.